Die Liebe

Wenn man sich verliebt, ist alles neu und aufregend. Kommt der Partner aus einer anderen Kultur, wird es noch aufregender. Zu allem Neuem kommen unterschiedliche Werte und Traditionen hinzu. Und manchmal auch eine andere Sprache.

Hier auf Mallorca kenne ich einige deutsch-mallorquinische Paare, deren gemeinsame Sprache Englisch ist. Es kann sehr hilfreich sein, sich auf eine Sprache zu einigen, die für beide Partner nicht die Muttersprache ist, da es sonst leicht zu einem Ungleichgewicht kommen kann. Insbesondere, wenn man in dem Land eines der beiden Partner lebt: der Eine fühlt sich Zuhause und sicher, er (oder sie) kennt alle Codes, Nuancen und Konnotationen. Der Andere fühlt sich unter Umständen fremd und kann sich zudem nicht völlig sicher in der fremden Sprache ausdrücken. Dabei geht es nicht unbedingt um Vokabeln oder die Grammatik.

Jede Kultur hat -wie bei einem Eisberg- unsichtbare Anteile, die schwer zu identifizieren sind. Zum Teil haben nonverbale Anteile eine große Bedeutung. Laut des Anthropologen Edward T. Hall kann man Kulturen z.B. in „High – „ bzw. „low Context-Kulturen“ einteilen. In „high Context“-Kulturen nennt man Dinge nicht direkt beim Namen. Es herrscht ein starker Drang nach Harmonie. Ein ‚Ja‘ bedeutet nicht zwangsläufig Zustimmung, sondern kann allein der Aufrechterhaltung der Kommunikation dienen. In high-Context Kulturen kann die Information nur unter Einbezug des gesamten Kontextes, wie nonverbaler Signale, Atmosphäre usw., verstanden werden. Kulturen mit hohem Kontextbezug finden sich in Ländern Südeuropas wie Spanien, vielen asiatischen und afrikanischen Ländern sowie in Lateinamerika. Wir Deutschen sind eine low-Context-Kultur. In low-Context Kulturen wird sehr direkt kommuniziert, der Zuhörer muss sich allein auf das Gesagte konzentrieren um den Inhalt der Botschaft zu verstehen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man sich in einer bi-kulturellen Beziehung manches Mal im wahrsten Sinne des Wortes „sprachlos“ fühlt. Mein spanischer Wortschatz reicht zum Teil nicht aus, um meine komplizierten Gefühlswelten zu erklären. Bin ich deswegen frustriert, schwenke ich auf Englisch um, um das Gleichgewicht zwischen meinem Partner und mir wieder herzustellen. Er spricht gut Englisch, es ist aber eben auch nicht seine Muttersprache, so dass wir uns dann auf einem gleichen Niveau befinden. Am Anfang unserer Beziehung tauchten konkrete Kommunikationsschwierigkeiten auf, als es um die Definition unseres Status´ ging. Ich habe uns nach etwa zwei Monaten als „Paar“ („pareja“) bezeichnet, was er jedoch als Definition für uns vehement ablehnte, was mich wiederum sehr verletzte. In mühevoller Kommunikation erklärten wir unsere jeweilige Sichtweise und Definition. Aus seiner Sicht ist man erst dann ein Paar, wenn man einen gemeinsamen Hausstand hat und seine Finanzen (und gegebenenfalls Kinder) teilt.

Es ist manchmal schwer zu trennen, was den auserwählten Partner als Individuum ausmacht oder was seiner sozialen Herkunft geschuldet ist und was die kulturbedingten Anteile sind. In einem Buch von Paul Watzlawick wird ein interessantes Beispiel benannt: „Unter den während des Zweiten Weltkriegs in England stationierten amerikanischen Soldaten war die Ansicht weit verbreitet, die englischen Mädchen seien sexuell überaus leicht zugänglich. Merkwürdigerweise behaupteten die Mädchen ihrerseits, die amerikanischen Soldaten seien übertrieben stürmisch. Eine Untersuchung … führte zu einer interessanten Lösung dieses Widerspruchs. Es stellte sich heraus, dass das Paarungsverhalten (courtship patterns) – vom Kennenlernen der Partner bis zum Geschlechtsverkehr – in England wie in Amerika ungefähr dreißig verschiedene Verhaltensformen durchläuft, dass aber die Reihenfolge dieser Verhaltensformen in den beiden Kulturbereichen verschieden ist. Während zum Beispiel das Küssen in Amerika relativ früh kommt, etwa auf Stufe 5, tritt es im typischen Paarungsverhalten der Engländer relativ spät auf, etwa auf Stufe 25. Praktisch bedeutet dies, dass eine Engländerin, die von ihrem (amerikanischen) Soldaten geküsst wurde, sich nicht nur um einen Großteil des für sie intuitiv „richtigen“ Paarungsverhaltens (Stufe 5–24) betrogen fühlte, sondern (viel früher als gewohnt) zu entscheiden hatte, ob sie die Beziehung an diesem Punkt abbrechen oder sich dem Partner sexuell hingeben sollte. Entschied sie sich für die letztere Alternative, so fand sich der Amerikaner einem Verhalten gegenüber, das für ihn durchaus nicht in dieses Frühstadium der Beziehung passte und nur als schamlos zu bezeichnen war. Die Lösung eines solchen Beziehungskonfliktes durch die beiden Partner selbst ist natürlich deswegen praktisch unmöglich, weil derartige kulturbedingte Verhaltensformen und -abläufe meist völlig außerbewusst sind. Ins Bewusstsein dringt nur das undeutliche Gefühl: Der andere benimmt sich falsch.“ (WATZLAWICK et al. Menschliche Kommunikation, S. 20).

Eine Studie zu bi-nationalen Beziehungen in Deutschland fand heraus, dass sich Paare aus verschiedenen Kulturen etwas weniger oft trennen als rein bio-deutsche Paare. Denn gerade, weil die Partner Missverständnisse erwarten, kommunizieren sie öfter und mehr. Sind hingegen beide Partner deutsch, gehen sie häufig davon aus, dass man den Partner verstanden habe. Das muss jedoch nicht sein. Friedemann Schulz von Thun hat das Kommunikationsmodell entwickelt „Die vier Seiten einer Nachricht“. Darin geht er davon aus, dass der Sender einer Botschaft vier Möglichkeiten hat, eine Nachricht zu senden, genauso wie der Empfänger diese Nachricht auf vier Ebenen verstehen kann. Als Beispiel: Ein Paar sitzt im Auto, sie fährt. Er sagt zu ihr: „Die Ampel wird gleich grün“. Diese Nachricht kann eine reine Sachnachricht sein („Die Ampel ist grün“). Auf der „Beziehungsebene“ kann gemeint sein: „Du brauchst meine Hilfestellung“, auf der „Selbstoffenbarungsebene“: „ Ich habe es eilig“ und auf der „Appelleben“: „Gib Gas!“.

Jenseits der reinen Kommunikation bestehen in bi-nationalen Beziehungen aber auch unterschiedliche Vorstellungen zu Geschlechterrollen, Sexualität, Partnerschaft oder zum Umgang mit der Familie. In Spanien (und auch auf Mallorca) ist die Definition von Familie wesentlich weiter gefasst als in Deutschland. Auch entfernte Onkel, Tanten, Großcousinen und -cousins zählen zum engeren Familienkreis. Nahezu jedes Wochenende findet eine Feier im Familienkreis statt, die es zu besuchen gilt. Dieses Themenfeld berührt eine andere Dimension, die Kulturen voneinander unterscheidet. Je nachdem sind Kulturen eher individualistisch (wie die deutsche) oder kollektivistisch (wie südeuropäische, afrikanische, asiatische oder lateinamerikanische). Sind also eher „Ich“- oder „Wir“-orientiert (dazu gibt es weiter unten auch weitere Blog-Einträge).

Uns Deutschen wird es häufig zu viel, wenn wir uns sehr an den Interessen der Familie unseres Partners orientieren müssen und diese in unsere Beziehung „hineinfunken“. Wir Deutschen haben häufig das Ideal der romantischen Liebe vor Augen, wünschen uns die traute Zweisamkeit. In der Beziehung mit einem spanischen Partner kann das zu Konflikten führen, wenn Familienmitgliedern mehr Raum eingeräumt wird, als wir das gewohnt sind.

13 Prozent der Ehen in Deutschland sind heute schon interkulturell – Tendenz steigend. Für Mallorca liegen mir keine Zahlen vor, wahrscheinlich ist die Zahl aber höher als in Deutschland….

Weitere spannende Infos zum Thema finden sich hier: https://www.familienhandbuch.de/familie-leben/partnerschaft/herausforderung-konflikte/miteinempartnerauseineranderenkulturleben.php

https://www.expat-news.com/26029/publikationen-ausland/interkulturelle-paare-und-ihre-groessten-herausforderungen-liebe-ohne-grenzen/

http://blog.deutschland.de/heartbeats-intro/

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