Der Begriff Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und wurde bereits 1713 das erste Mal verwendet. Hans Carl von Carlowitz machte damals deutlich, dass nicht mehr Holz gefällt werden dürfe, als nachwachsen könne. Bis in die 2000er Jahre verband man unter Nachhaltigkeit daher dann auch vor allem ökologische Belange. Heutzutage versteht man unter dem Begriff drei Säulen, die in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen sollten: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Es reicht beispielsweise nicht, ein Schutzgebiet auszuweisen, in das keine Touristen mehr hinein dürfen, wenn dadurch Einnahmen für die lokale Bevölkerung wegfallen, die nicht kompensiert werden können. Nachhaltigkeit im Tourismus bedeutet, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen der Touristen, der Tourismusindustrie, der Umwelt und denen der Einheimischen zu schaffen. Ein asiatisches Sprichwort sagt: „Tourismus ist wie Feuer: Du kannst Deine Suppe damit kochen oder Dein Haus damit abbrennen“.
Tourismussteuer auf Mallorca
Die derzeit amtierenden Politiker auf Mallorca – sei es in der Inselregierung oder im Rathaus von Palma – haben erkannt, dass es eine ausgewogene(re) Form zwischen den Interessen der Tourismusindustrie und der lokalen Bevölkerung geben muss. Es kommt heutzutage zu Konflikten um Ressourcen wie Wasser, Landschaft und Wohnraum. Und es geht um Massifizierung, Lärmbelastung und Verschmutzung, z.B. durch Kreuzfahrtschiffe.
Seit 2016 wird daher auf den Balearen die „Steuer für Nachhaltigen Tourismus“ in allen Beherbergungsbetrieben erhoben. https://www.caib.es/sites/impostturisme/de/steuer/ . Seit vergangenem Jahr auch für Kreuzfahrttouristen. Die Einnahmen aus der Steuer für nachhaltigen Tourismus betrugen 2017 rund 64 Millionen Euro. Mit diesen Einnahmen werden Projekte in fünf Kategorien finanziert: Umweltschutz, Nachhaltiger Tourismus, Kulturelles Erbe, Forschung und Ausbildung & Arbeitsplätze. Darunter „Wiederherstellung der Dünensysteme“, „Erhalt von Naturschutzgebieten“, „Ausschilderung von Rad- und Wanderwegen“, „Mühlenpatenschaften“ oder der „Bau von Informationszentren“. Eine Liste findet sich hier: Mallorcas Projekte .
Doch nicht nur Politiker können etwas für nachhaltigen Tourismus tun. Jeder Reisende kann dazu beitragen, seine Reise ein wenig nachhaltiger zu gestalten. Das fängt bei der Wahl des Reiseziels und der Unterkunft an. So sollten Fernreisen mindestens drei Wochen dauern – sonst stehen die Treibhausgase, die für die An- und Abreise verbraucht werden, in keinem Verhältnis zur Dauer der Reise. Ökologisch macht es zudem einen großen Unterschied, für welches Fortbewegungsmittel man sich bei der An- und Abreise seiner Reise entscheidet.
Kreuzfahrten sind unökologischer als Flugreisen
Noch vor dem Flugzeug sind Kreuzfahrtschiffe das mit Abstand unökologischste Verkehrsmittel. Die allermeisten von diesen Schiffen fahren auf hoher See mit billigem Schweröl und häufig wird der Ausstoß der Abgase zudem kaum oder gar nicht gefiltert. Aufgrund des immensen Energiebedarfes laufen zudem die Motoren Tag und Nacht – auch wenn die Schiffe in einem Hafen liegen. Das sorgt nicht nur für eine Abgas-, sondern auch Lärmbelastung für die lokale Bevölkerung. Umweltverbände kritisieren die Branche daher zunehmend; sie fordern mehr Umwelttechnologie zum Beispiel mittels Partikelfiltern. Kreuzfahrtreisen erfreuen sich allerdings seit Jahren immer größerer Beliebtheit. So steigt die Zahl der neuen Schiffe ständig und die einzelnen Schiffe werden zudem immer größer. Das derzeit größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die „Symphony of the Seas“ beherbergt 6.680 Urlauber und 2.175 Besatzungsmitglieder. Als der Koloss am 8.4.2018 das erste Mal Mallorcas Inselhauptstadt Palma anlief, wurde er im Hafen von einer Demonstration empfangen, zu der über 30 Umweltschutz-Organisationen aufgerufen hatten.
Der Nabu rechnet vor, dass ein Kreuzfahrtschiff pro Tag so viel CO2 ausstösst wie fast 84.000 Autos, so viel Stickoxide wie etwa 421.00 Autos, so viel Feinstaub wie etwa über 1 Million Autos und so viel Schwefeldioxid wie gut 376 Millionen Autos. Wenn man auf Kreuzfahrtreisen nicht verzichten möchte, gibt es hier einen Ratgeber Kreuzfahrtschiffe
Vor Ort zu Fuß, per Rad oder mit Bus und Bahn
Auch vor Ort selber hat man zahlreiche Möglichkeiten, sich nachhaltig fort zu bewegen. Bus und Bahn sind dabei umweltfreundlicher als ein Mietwagen. Und das Erkunden der Destination per Rad oder zu Fuß eröffnet häufig völlig neue Einblicke. Auf Mallorca ist das Bus- und Bahnsystem bereits gut ausgebaut und es kommen jedes Jahr weitere Strecken hinzu. Die Inselregierung stattet übrigens seit vergangenem Jahr alle neuen Busse mit Elektro- oder Gasantrieb aus.
Flüge kompensieren
Studien der UNWTO (der Tourismussektion der Vereinten Nationen) gehen davon aus, dass der Anteil des weltweiten Tourismus an den Treibhausgasemissionen mindestens 9 Prozent beträgt. Tendenz steigend, da zunehmend auch die bevölkerungsreichsten Länder der Welt, China und Indien, durch zunehmenden Wohlstand ihre Reiselust entdecken.
Wann immer möglich sollte man daher bei seinen Reisen auf Flüge verzichten. Das geht bei Mallorca häufig kaum, da eine Reise mit Bahn/Bus und Fähre mit mindestens 2 Tagen veranschlagt werden muss. Fast alle Fluganbieter bieten jedoch heutzutage die Möglichkeit an, die entstehenden Abgase zu kompensieren. Das funktioniert zum Beispiel über die Organisation Atmosfair. Für den Flug nach Mallorca hat man bei fast allen Fluggesellschaften direkt die Möglichkeit, eine Spende an Atmosfair zu entrichten, die dann in Projekte für erneuerbare Energien, zur Aufforstung oder in Bildungsmaßnahmen investiert wird. http://www.atmosfair.org
Die Wahl der Unterkunft
Eine wunderbare Möglichkeit, ganz besondere, nachhaltige Ferien zu verbringen und dabei tief in die jeweilige Kultur einzutauchen, bietet der Agrotourismus. Dies ist eine Variante vom „Urlaub auf dem Land“. Das kann die Unterbringung auf dem Bauernhof, aber auch eine komfortable Finca oder ein Landhotel sein. Hintergrund ist immer die Nähe zur Gastfamilie, wodurch die Urlauber einen unmittelbaren Einblick in deren Alltag bekommen. 1989 schloss sich eine Gruppe von 12 Bauern Mallorcas zusammen, um für die traditionellen Bauernhöfe eine neue Existenzgrundlage zu schaffen. Heutzutage bietet die „Associació Balear d’Agroturismes i Turisme d’Interior“ über 100 Fincas, Bauernhöfe und Landhotels auf Mallorca an: http://www.rusticbooking.com/de
Aber auch wenn man nicht auf dem Lande urlauben will, hat man viele Möglichkeiten, seinen Gastgeber nach Nachhaltigkeitskriterien auszusuchen. Hotels, die Eigentümer-geführt sind, sind großen Ketten vorzuziehen, ebenso solche, die auf Energie-Einsparungen achten, oder regionale Produkte verwenden und solche, die ihren Mitarbeitern faire Verträge bieten. Wenn man als Tourist privat übernachten möchte, z.B. über Airbnb, sollte man darauf achten, dass die Unterkunft nicht rein gewerblich genutzt wird, denn dann wird sie zur Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt für die einheimische Bevölkerung. Auf der sicheren Seite ist man, wenn der/die Vermieter/in mit in der Wohnung wohnt.
Auswirkungen des Tourismus´ auf die einheimische Bevölkerung
Wider besseres Wissen und Gewissen kann man als Reisender großen Schaden bei der lokalen Bevölkerung anrichten, zum Beispiel durch Unachtsamkeit. Häufig sorgt alleine die Masse an Touristen für Probleme mit der einheimischen Bevölkerung. Auf Mallorca stehen ca. 13 Millionen Touristen, die jedes Jahr auf die Insel kommen knapp einer Million Einheimischen gegenüber – das bedeutet einen Schlüssel von 13:1. In einigen wenigen Destinationen ist dieser Schlüssel noch höher, wie z.B. in Venedig. Ein großes Problem in Palma stellen die Kreuzfahrttouristen dar. Die Schiffe kommen alle morgens im Hafen an. Ein Großteil der Fahrgäste begibt sich dann per Shuttle, Linienbus oder Taxi gleichzeitig mit tausend Anderen in die Innenstadt, vorzugsweise direkt zur Kathedrale. Palmas amtierender Bürgermeister hatte dann auch in seinem Wahlkampf gefordert, dass maximal drei Kreuzfahrtschiffe pro Tag ankommen dürfen.
Faire Löhne – zufriedene Gastgeber
Jeder wünscht sich für sich selber einen sicheren Arbeitsplatz und faire Arbeitsbedingungen – das ist in Tourismusregionen nicht anders. Zu einem nachhaltigen Tourismus gehört daher auch die Sicherung oder auch Steigerung der Anzahl und Qualität der direkt und indirekt vom Tourismus abhängigen Arbeitsplätze in Handel, Handwerk und Dienstleistung. Als Urlauber hat man es mit in der Hand, darauf zu achten, dass die Mitarbeiter im Hotel, beim Busunternehmen oder im Restaurant fair behandelt werden. Wenn man weiß, dass der Lohn im Land generell niedrig ist, fällt es womöglich leichter, einen guten Service mit einem angemessenen Trinkgeld zu vergüten. Auf Mallorca demonstrierten in den vergangenen Jahren immer wieder Zimmermädchen gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen, die sich aufgrund zunehmendem Arbeitsdrucks verschlechtert hatten. Dabei ging es um immer mehr Zimmer, die die Zimmermädchen zu reinigen hatten, aber auch darum, dass Gäste ihre Unterkünfte zunehmend verdreckten. Ein Verdienst von unter 1.000 Euro brutto im Monat für 40 Wochenstunden war bislang nicht unüblich. Unter dem Namen „Las Kellys“ haben sie nunmehr erreicht, dass die Löhne gestiegen sind. Ihre Sprecherin nahm zudem auf der Tourismusbörse ITB in Berlin in diesem Jahr einen Preis für soziales Engagement entgegen.
Respekt vor der lokalen Kultur
Wenn in Restaurants am „Ballermann“ auf Mallorca die Speisekarten ausschließlich auf Deutsch aushängen, zeugt das von wenig Respekt gegenüber der lokalen Kultur. Ebensowenig bei Gästen, die in mallorquinischen Restaurants lediglich die Lautstärke ihrer auf Deutsch vorgetragenen Bestellung erhöhen, wenn der Kellner diese nicht verstanden hat. Als nachhaltig reisender Tourist meidet man solche Orte und setzt im Gegenteil auf Stärkung der einheimischen Kultur.
Bei Souvenirs achtet man darauf, dass sie nicht „Made in China“ sind, sondern aus der Region stammen. Auf Mallorca bieten sich Olivenöle, Produkte aus Orangen, Salze aus Ses Salines oder Korb- und Keramikwaren an. Idealerweise gekauft in ihren Herkunftsorten oder auf Märkten. Unter dem Namen PAM PAM findet in den Gemeinden Porreres (erster Samstag im Monat), Algaida (zweiter Samstag im Monat) und Montuïri (dritter Samstag im Monat) ein Markt statt, bei dem lokale Agrar- sowie Bioprodukte angeboten werden. Besonders herauszustellen sind auch die zahlreichen Firas, Messen und Landwirtschaftsausstellungen.
Insbesondere weil Teile der mallorquinischen Bevölkerung das Gefühl hat, quasi vom Tourismus überrollt zu werden, ist in den vergangenen Jahren der Protest gewachsen. Kreative Demonstrationen haben stattgefunden, bei denen Einheimische als Touristen verkleidet mit Rollkoffern durch Palma gezogen sind. Aber auch krawallige Proteste wie in Puerto Portals wo Mitglieder der Organisation Arran Gäste eines Luxusrestaurants mit Konfetti bewarfen und auf Yachten Leuchtbomben zündeten.
In dem Artikel „Turismo descontrolado“ (ausser Kontrolle geratener Tourismus) von Gabriel Ferret in der Ultima Hora von der vergangenen Woche wird auf George Doxey Bezug genommen, der mehrere Stadien, wie die Einheimischen die Tourismusentwicklung einer Destination empfinden, benannt hat: euforía (Euphorie) – apatía (Apathie) – molestía (Belästigung) – antagonismo (Widerstand) – rendición (Kapitulation). Er sagt, dass wir uns auf Mallorca im Moment in dem Stadium des Widerstandes befänden und er meint, dass noch Zeit ist, das letzte Stadium zu vermeiden.
Möglichst geringe Beeinflussung der Natur im Urlaubsziel
Eine saubere Umwelt und Natur sind Grundfaktoren für Tourismus. Wer möchte schon gerne in geschädigten Landschaften urlauben? Daher zählen der Erhalt und die Verbesserung der gewachsenen Natur- und Kulturlandschaften, der Schutz und auch die Förderung ihrer jeweiligen Einzigartigkeit zu den Kriterien für einen nachhaltigen Tourismus. Mallorcas Inselregierung fördert maßgeblich den Erhalt der Dünensysteme, von Feuchtgebieten, Wäldern und dem Posidoniagras, einer Pflanze, die für die Reinhaltung des Meeres wichtig ist und einen wichtigen Beitrag zur Regeneration des Strandes leistet. Es ist daher bereits seit zehn Jahren verboten, über den Seegraswiesen zu ankern.
Nachhaltigkeitssiegel
Sicher ist es nicht einfach, als Tourist alle Kriterien für nachhaltigen Tourismus zu beachten und zudem zu bewerten, ob am Urlaubsort sozial- und umweltverträglich gehandelt wird. Daher gibt es diverse Labels und Siegel, die einem hierfür die Gewissheit geben. Für Reiseveranstalter gibt es das sogenannte „TourCert“-Siegel. Hierbei werden von einem unabhängigen Gremium alle Elemente einer Pauschalreise bewertet: Von der Anreise, über die regionale Wertschöpfung vor Ort bis zum Papierverbrauch im Büro des Reiseveranstalters werden alle Bereiche anhand von sozialen und ökologischen Kriterien unter die Lupe genommen. Bei Einhaltung der strengen Auflagen vergibt TourCert das Zertifikat an den Veranstalter. Mittlerweile werden neben Reiseveranstaltern auch Unterkünfte und Reiseziele ausgezeichnet. An 140 Unternehmen und Organisationen in Europa wurde das Siegel bislang verliehen. Unter dem Namen „Forum Anders Reisen“ haben sich Reiseveranstalter zusammengeschlossen, die alle nachhaltige Reisen anbieten. Die Palette auf Mallorca reicht von „Wandern durch die Tramuntana“ von MiTourA , über „Yogareisen“ von YOGAREISENplus und „Studienreisen“ von SKR Reisen . Alle Reiseveranstalter, die sich im Forum Anders Reisen zusammengeschlossen haben, finden sich (mit Reisen nicht nur nach Mallorca, sondern weltweit) hier: Forum Anders Reisen.de
Ausblick
Wer mehr zu dem Thema wissen möchte kann sich hier informieren:
Mallorca Zeitung
http://www.studienkreis.org
http://www.tourism-watch.de
http://www.sympathiemagazin.de
Zudem werde ich im Januar 2020 gemeinsam mit dem Lohmarer Institut für Weiterbildung (LIW) einen Bildungsurlaub in Palma zu dem Thema durchführen. Dabei erfahren die Teilnehmer von Konflikten zwischen wirtschaftlichen- und den Interessen der Bevölkerung und erfahren aus erster Hand, wie die Stadt mit dieser Herausforderung umgeht. Zum Bildungsurlaubs-Angebot: https://www.liw-ev.de/detailev/&event=42066