Für den Begriff „Heimat“ gibt es verschiedene Definitionen. Häufig hat er zu tun mit einem physischem Raum. Manche verstehen darunter das Dorf oder die Stadt, in der sie aufgewachsen sind, andere eine Region oder sogar ein Land. Man kann damit Landschaft, Identität, Kultur, Charakter, Geborgenheit, Tradition, Zugehörigkeit, Verlässlichkeit oder Sicherheit verbinden. In einem WDR-Feature über „Heimat“ nannten Hörer zudem: Verklärung, Gefühl, Bilder, Beziehungen oder Ort der Kindheit.
Max Frisch behauptete, dass das Wort „Heimat“ unübersetzbar sei. Im Wörterbuch wird als spanische Übersetzung für Heimat vorgeschlagen: „patria“ (was wir eher mit Vaterland übersetzen würden), „país natal“ (eher Geburtsland) oder „tierra natal“ (eher Heimaterde). Im Englischen: „home“, „homeland“, „home country“ oder „native country“. Für unsere Ohren reichen diese Übersetzungen aber nicht aus, den Begriff in Gänze einzufangen.
Wir grenzen zum Beispiel den Begriff „Zuhause“ dagegen ab. Manchmal ist das damit verbundene Gefühl identisch, aber oft sind dies auch zwei verschiedene Gefühle. Im Fall von Spanien-Auswanderern hört man häufig, dass Deutschland Heimat ist und Spanien Zuhause (oder auch eine „zweite Heimat“).
Heimat kann auch viel mit Sprache zu tun haben. Viele Mallorquiner empfinden Mallorquinisch als Heimatstiftend. Ebenso verhält es sich im Baskenland, in Katalonien oder in Galizien mit der jeweiligen Regionalsprache. Ich bin mir sehr sicher, dass die meisten Mallorquiner unter Heimat diese Insel verstehen würden statt Spanien als Ganzes.
Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, gehen häufig in ein Nachbarland, um möglichst nah an ihrer Heimat zu sein. Es werden als Migrationsländer aber auch Länder gewählt, die der Heimat ähnlich scheinen. So sind derzeit beispielsweise mindestens 300.000 Venezolaner nach Spanien migriert. Es kommen vor allem Menschen aus der Mittel- und Oberschicht, die in Spanien eine „zweite Heimat“ suchen – mit Rechtssicherheit und ohne Repressalien.
Viele verbinden Heimat mit Personen, also dem Ort, an dem beispielsweise die Familie lebt oder der geliebte Partner („Home is, where the heart is“). In einer kleinen, nicht-repräsentativen, Studie unter spanischen Freunden nannten alle, dass Familie Heimat ausmacht. Spanische Freunde von mir, die in Deutschland aufgewachsen sind, fühle sich häufig in beiden Ländern beheimatet. Die meisten bleiben in Deutschland, weil die Familie dort bleibt oder würden nur gemeinsam zurück nach Spanien gehen.
Doch was ist mit denen, die in einem Land ihre Heimat sehen, ihnen diese aber abgesprochen wird? Wie es z.B. manchen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland geht, obwohl sie dort geboren sind? Der 28-jährige -in Äthiopien geborene und zum Islam konvertierte- Sänger Ammar 114 stellt es in seinem Lied „Wir sind Deutschland“ so dar: „Wir sind Deutschland, ja wir sind ein Teil davon. Es wird Zeit, dass wir endlich volle Rechte bekommen. Wir sind Deutschland. Es wird Zeit, dass ihr das versteht, uns nicht mehr als Gäste seht. Unsere Kinder sind hier geboren, manche fragen sich, was haben die hier verloren. […] Wir zahlen deutsche Steuern, haben investiert, in den deutschen Staat, der uns jetzt attackiert, uns nicht respektiert, uns die Rechte nimmt. Wir sollen uns integrieren, auch wenn wir Deutsche sind. […] Haben mit euch aufgebaut, lang genug habt ihr auf uns herab geschaut. Es ist Zeit, dass ihr das versteht, uns als Bürger und nicht mehr als Gäste seht. Ihr wollt uns ausweisen oder raus schmeißen, wir sollen nach eurer Pfeife tanzen oder heim reisen? Hier ist unsere Heimat, also was ist euer Ziel? Soll ich als deutscher Flüchtling ins Exil?“ Quelle: http://www.bpb.de . In genau diesem Moment, wo ich diesen Artikel schreibe, entdecke ich eine Nachricht über Herbert Grönemeyer, der seinen ersten Deutsch-Türkischen Song herausgebracht hat „Doppelherz / Iki Gönlüm“. Auf die Frage nach dem Hintergrund sagt er: „…Es geht um diese Vielfalt, die wir in Deutschland haben. Ich bin selber im Ruhrgebiet aufgewachsen. In den 50er, 60er Jahren kamen in unser graues Ruhrgebiet Menschen aus Griechenland, Spanien und Italien, aus Polen, aus der Türkei und der ganzen Welt, und wir waren damals stolz, dass sie überhaupt zu uns kamen….“ (www.wdr.de).
Diesem Gefühl trägt auch die Kampagne #Metwo von Ali Can Rechnung, der sich zahlreiche Prominente angeschlossen haben. Seine Idee ist, das fast jeder mehrere Heimaten in sich trägt. „Man kann wie ich zwei Identitäten haben: Meine Heimat ist Deutschland, und ich bekenne mich zu unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung. Gleichzeitig fühle ich mich aber auch mit den Menschen aus dem türkischen Dorf verbunden, in dem ich geboren wurde. Deshalb heißt das Stichwort ja auch #MeTwo, also Ichzwei. Ich finde, wir brauchen ein neues Verständnis vom Deutschsein…“. Der Fernsehmoderator und Journalist Michel Abdollahi sagt es so: “Heimat ist für mich eigentlich immer dort, wo mein Bett steht und das steht halt nun mal in Hamburg. Ich habe aber auch noch ein Bett im Iran, da schlafe ich dann auch, wenn ich dort bin. Aber Deutschland ist für mich zu Hause. Dort fühle ich mich am Wohlsten. Iran ist für mich der Ort, aus dem ich hergekommen bin. Iran ist ein Teil meiner Kultur, er ist ein Teil meines Herzens….“ .
Ich selber definiere meine Heimat als in und rund um Bielefeld befindlich (obwohl ich in Werdohl geboren und in Waddenhausen/Lage aufgewachsen bin). Auf Mallorca fühle ich mich Zuhause und würde es als zweite Heimat bezeichnen.
Ein Mallorquiner würde dieses Konzept wahrscheinlich nicht verstehen. Wenn man von hier stammt, gibt es nur Mallorca als einzig mögliche Heimat. Ein schöner Spruch besagt, dass jeder Mallorquiner, der von den schönsten Plätzen der Welt zurück kommt, sagt: „… es war sehr schön, aber so etwas Schönes wie Mallorca gibt es nicht noch einmal (’si, peró com a Mallorca no s’hi está)“.
Auf Mallorca hat Heimatgefühl viel mit Stolz zu tun. Der Musiker Jaume Sureda hat mit „Patria, himne mallorquí“ eine Hymne an seine Heimat geschrieben, in der er vor allem die Schönheit der Insel preist. Auch „Cansso per ses islas“ von Marga Pocovi oder „Canto a Mallorca“ von Bonet de San Pedro schlagen in die gleiche Kerbe. Und über den bekanntesten Liedermacher der Insel, Tomeu Penya, sagt die Mallorca Zeitung, dass er „…heimatverbundener als Heino“ sei….
(Das Foto ist übrigens in der Stierkampfarena in Alcúdia aufgenommen),