Die Marokkaner haben 2014 die Deutschen überholt. Bis zu diesem Jahr hielten den größten Ausländerabteil auf der Insel die Deutschen, gefolgt von Engländern. Derzeit holen Rumänen (die vor allem als Arbeitskräfte hier bessere Arbeitsbedingungen suchen) und Skandinavier (als Immobilienkäufer) auf.
Alleine in unserem Bekanntenkreis gibt es eine bunte Mischung von Menschen aus der ganzen Welt. ein Freund ist mit Elena zusammen, einer Italienerin; eine Freundin mit einem Argentinier. Die Kollegen meines Freundes kommen aus Großbritannien, Dänemark, Frankreich, Griechenland und dem Libanon (und natürlich auch aus Spanien / Mallorca). Meine Yogalehrerin ist Österreicherin, unsere Nachbarn Spanier, Polen und Ukrainer.
Die Mallorquiner unterscheiden (laut dem Buch “Geliebte Mallorquiner”) Fremde in verschiedene Kategorien: Forasters, catalans i estrangers. „Forasters“: zu dieser Gruppe gehören ausschließlich alle Spanier, die nicht Katalanen sind. Die „Catalans“ gehören in eine Extraschublade. „Estrangers“ schließlich sind Ausländer wie ich.
In dem Buch heißt es weiter: „Der Mallorquiner behält … auch heute noch seine kluge Zurückhaltung bei und zieht es vor, sich im eigenen Umfeld zu bewegen, statt sich unter die Ausländer zu mischen.“ Oder auch: „Die spektakuläre Verschlossenheit der Mallorquiner … könnte also schon vor der Besatzungszeit bestanden haben, … als die Einwohner … von Beginn an eine abweisende Haltung gegenüber Invasoren entwickelt haben. Sie schufen einen in sich hermetischen „Código cultural“ (Kulturkodex), gewissermaßen einen weiteren Verteidigungsmechanismus, dessen Charakteristik teils noch heute Bestand hat.“. Ich kann diese Zurückhaltung gut verstehen: Ich würde auch nicht darauf warten, mit jedem der „Eroberer“ dieser Insel dicke Freundschaft zu schließen.
So sind zum Beispiel Feste und Feiertage wie Ostern, Karfreitag, noch sehr traditionell. Hier spielt Ostern eine wichtigere Rolle als in Deutschland („…außer in Heiligenstadt“, sagt die Mallorca Zeitung von der Woche). Und zwar nicht in Bezug auf Ostereiersammeln und – anmalen (die wohl die Auferstehung symbolisieren sollen, sagt der (nunmehr ehemalige) Pfarrer der deutsprachigen katholischen Gemeinde hier) oder Hasenspielen (als Fruchtbarkeitssymbol). Schon eher in Richtung möglichst viel Lamm zu verdrücken (hat seinen Ursprung darin, dass die Hinrichtung Jesus´ wohl wie die Schlachtung eines Lamms gewesen sei – sagt besagter Pfarrer), vor allem aber in Bezug auf Prozessionen. Diese sind in der Regel sehr aufwändig gestaltet und ein bisschen gruselig, denn die Bruderschaften gehen mit Dreiecksmützen, die an den Klu-Klux-Clan erinnern. Wir waren auf der Karfreitagsprozession in Palma (Processó del Sant Enterrament), diese geht Abends los und dauert ca. fünf Stunden. Es erinnert an Karneval: hintereinander gehen 32 Gruppen in unterschiedlichen Farben der verschiedenen Vereine mit einer Kapelle. Zwischendurch folgt ein getragener (!) Wagen mit einer Jesus- oder Madonnenstatue. In chronologischer Reihenfolge wird damit der Leidensweg Christi vorbeigetragen. Kamelle wird nicht geworfen, aber es gibt die schöne Tradition, dass die Teilnehmer aus dem Zug Kindern etwas zustecken, die sogenannten confits, mit Zucker überzogene Mandeln. Wir hatten zufällig einen Platz in der ersten Reihe erwischt, in einer Tapasbar am Zugweg. Dieser geht durch die Altstadt, die eh immer für eine feierliche schöne Atmosphäre sorgt, da sie warm ausgeleuchtet ist. Die Büßer in Kutte, die im Zug gehen, tragen eine großen hohe Dreiecksmütze und müssen demütig schweigen. Sie halten eine Kerze in der Hand, die nicht ausgehen darf. Damit das Wachs zudem nicht auf die Straße tropft, gehen Kinder mit, die das Wachs der Kerzen ausstreichen.
Der Zug gerät immer wieder ins Stocken, weil die Träger der Statuen ausruhen müssen. Von ihnen sieht man nur die Füße unter dem Aufbau hervorschauen. Einige Statuenwagen sind so groß, dass sie einen Einweiser haben, der vorweg geht und Anweisungen gibt, wohin die Träger (die eh ganz laaangsam) laufen müssen.
Von diesen traditionellen Prozessionen gibt es einige auf Mallorca. Und manche thematisieren den erfolgreichen Widerstand gegen Eroberer, z.B. bei „Moros y cristianos“. 1229 eroberte König Jaume I. von Aragón Mallorca von den Mauren für die Christenheit „zurück“ (Reconquista). In mehreren Orten wird dieses Ereignis gefeiert, so in Port de Sóller, wo die Mauren jedes Jahr wieder vernichtend und lautstark geschlagen werden. Es gibt bei den Festivitäten eine klare Unterscheidung in „Gut“ und „Böse“. Und da keine der beteiligten Gruppen immer nur die „Bösen“ sein wollen, wechselt es jedes Jahr, welche Gruppe die „Guten“ spielen darf.