Eher Norddeutsche als Andalusier

Die waschechte Mallorquinerin und promovierte Linguistin Barbara Sastre sieht starke Parallelen der mallorquinischen zu der norddeutschen Mentalität. Zum Beispiel in Bezug auf das Kennenlernen von Fremden: „Es dauert zwar länger, kommt dann aber von Herzen”, sagte sie im Interview mit dem Mallorca Magazin – das kenne ich insbesondere auch aus meiner Heimat, dem Lipperland. Mallorquiner gelten als verschlossen, ohne dabei unfreundlich zu sein. Nach den verschiedensten, teilweise jahrhundertelangen Zeiten von Eroberern sei es sicherlich kein Wunder, dass die jüngsten „Invasoren“ – nämlich die Ausländer, die hierher ausgewandert sind – nicht immer sofort mit den offensten Armen empfangen werden.
In dem Buch „Geliebte Mallorquiner“ beschreibt der Autor Guy de Forestier es folgendermaßen: „Die spektakuläre Verschlossenheit der Mallorquiner … könnte also schon vor der Besatzungszeit bestanden haben, … als die Einwohner … von Beginn an eine abweisende Haltung gegenüber Invasoren entwickelt haben. Sie schufen einen in sich hermetischen „Código cultural“ (Kulturkodex), gewissermaßen einen weiteren Verteidigungsmechanismus, dessen Charakteristik teils noch heute Bestand hat.“
Und weiter: „Der Mallorquiner behält … auch heute noch seine kluge Zurückhaltung bei und zieht es vor, sich im eigenen Umfeld zu bewegen, statt sich unter die Ausländer zu mischen“. Weitere typisch mallorquinische Eigenschaften seien die Ruhe der Mallorquiner.

Ruhe
Eine Quelle vielfältigster Informationen ist das Buch „600 Fragen zu Mallorca“. Darin die Frage: „Was ist … typisch für das Volk der Mallorquiner?“. Antwort des mallorquinischen Autors: „Bemerkenswert ist die Ruhe der Mallorquiner, die ruhige Art, die Dinge anzugehen… Ein Beispiel aus meiner eigenen Berufserfahrung: Wenn ich zu Fuß mit einer Gruppe von Mitteleuropäern unterwegs bin, muss ich aufpassen, dass ich nach kurzer Zeit schon nicht der letzte in der Gruppe bin! Dieses langsamere Gehen, als Sie es gewöhnt sind, steckt bei uns in den Genen und ist eine Folge unseres ruhigen und erholsameren Lebens durch Jahrhunderte hindurch. In Barcelona, zum Beispiel, erkennt man die mallorquinischen Studenten an den katalanischen Universitäten am langsamen Gang!…“.

Unterschiede
Es gibt – trotz der oben beschriebenen Gemeinsamkeiten – aber natürlich auch viele Unterschiede zwischen solchen Ostwestfalen wie mir und den Mallorquinern. Ich arbeite daran, immer mehr und mehr der hiesigen Kultur verstehen zu wollen. Seit kurzem wohne ich im El Terreno, einem Stadtviertel Palmas, welches sehr bunt durchmischt ist: Unsere Nachbarn sind Philippinos, gegenüber wohnen Mallorquiner und Argentinier, im Moment sitze ich in einer Bar, die von einem kubanisch-brasilianischen Pärchen geleitet wird. Zudem gibt es hier: Indische, italienische, türkische, russische und viele andere Restaurants. Es ist immer sehr spannend, mit den verschiedenen Menschen über so ein Thema wie Interkulturelle Kommunikation zu diskutieren. Allen fällt etwas anderes dazu ein oder auf. Und es lassen sich auch bei anderen Kulturen Parallelen zu der hiesigen feststellen (allerdings andere als die zu uns Deutschen). Unsere Nachbarn haben zum Beispiel den Fernseher tagsüber in der mallorquinisch adäquaten Lautstärke laufen (sie wohnen übrigens in einer ähnlich großen Wohnung wie der unsrigen mit sieben statt wie wir mit zwei Personen).

Arbeitsbeziehungen
So wie in ganz Spanien ist auch auf Mallorca die Geschäftsbeziehung viel mehr durch persönliche Kontakte und ein gutes Vertrauensverhältnis geprägt als in Deutschland. Bevor man hier „zur Sache“ kommt, muss man sich erst einmal kennenlernen. Nach einem Modell des Niederländers Geert Hofstede geht der Kulturstandard „Beziehungsorientierung“ vor „Sachorientierung“. In Deutschland ist es umgekehrt. Das ist einer der Gründe, warum es häufig zu Missverständnissen kommt, wann immer Deutsche mit Mallorquinern zusammenarbeiten. Dies erstreckt sich auch auf jede Art von Aufträgen. Wenn man hier ein wenig voneinander weiß (ohne dabei zuuu privat zu werden!), arbeitet es sich viel besser zusammen.

Humor
Ich mag den hiesigen Humor sehr. Auch hier empfinde ich viele Parallelen zu den Ostwestfalen: Hintergründig und ein bisschen sarkastisch. Neulich im Supermarkt in Portals Nous folgende lustige Situation: eine (offensichtliche) Touristin hatte ihre Einkäufe aufs Band gelegt. Sie sagte: Nichts. Aber es war ziemlich klar, dass sie kein Spanisch spricht. Die Verkäuferin meinte daraufhin auf Spanisch zu ihr „500,- Euro“ (in Wirklichkeit waren es 5,30 Euro). Die Kundin gab ihr ohne Worte einen 10,- Euro Schein. Daraufhin meinte die Verkäuferin auf spanisch „Herzlichen Dank, das ist ja wirklich großzügig von Ihnen. Das trifft man ja heute selten. Der Rest ist für mich, richtig?“ und gab ihr mit einem Lächeln das Wechselgeld….

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