Von Stereotypen und Vorurteilen

„Den Deutschen“ oder „den Sachsen“ gibt es genauso wenig wie „den Spanier“ oder „den Mallorquiner“. Jeder einzelne Mensch ist ein Unikat und passt nie komplett in ein vorgefertigtes Stereotypenmuster. Dennoch gibt es Eigenschaften, die für die einzelnen Kulturen und ihre Menschen typisch sind. Stereotypen dienen der Kategorisierung von Personen und Kulturen. Ein Vorurteil ist ein Urteil, das ohne vorherige Erfahrung über etwas gefällt wurde. Werden Stereotypen oder Vorurteile über Spanier/Mallorquiner bemüßigt, sind die meist-genannten Eigenschaften aus deutscher Sicht: die Fähigkeit zum Genuß (insbesondere in Bezug auf Essen und Trinken) und der Hang zum Aufschieben („Mañana-Mentalität“), verbunden mit Unpünktlichkeit. Das Machotum ist angeblich weit verbreitet, Spanier mögen Siesta und Stierkampf und ihre Kinder dürfen alles. Schaut man sich die Assoziationen an, die Spanier über sich selber haben, stellt sich dies so dar: Sie seien warmherzig, flexibel und offen. Der Mensch steht im Vordergrund vor Projekten oder Dingen. Am wichtigsten sei die Familie.
Werden Deutsche von Spaniern/Mallorquinern charkterisiert, sind wir: direkt (bis hin zu unhöflich), wirken arrogant, unflexibel und besserwisserisch. Wir befolgen Regeln, ohne sie zu hinterfragen, sind quadratschädelig und kaltherzig. Fragt man ein/e Deutsche/n nach der eigenen Kultur, würde es sich so anhören: wir sind ehrlich, professionell und gradlinig. Verläßlichkeit ist für uns eine wichtige Tugend und wir sind immer ehrlich.

Jede Kultur hat sich durch jahrtausendelange Entwicklungen herausgebildet. Sicherlich spielt das Klima dabei eine Rolle (siehe anderer Beitrag), denn je nach Klimazonen können beispielsweise nur eine oder mehrere Ernten eingefahren werden, ist Vorratshaltung verbreitet oder eben nicht. Manche Völker sind seßhaft, andere nomadisch, einige erobern andere, andere werden erobert. Aber es geht noch eine Stufe weiter: innerhalb einer Nation gibt es regionale Unterschiede: Bayern ist anders als Norddeutschland; die Ossis verstehen die Wessis nicht und umgekehrt.
In Spanien würde kein Andalusier auf die Idee kommen, sich einem Basken ähnlich zu fühlen und die Unterschiedlichkeit zwischen Madrid und Barcelona entlädt sich regelmäßig bei den Spielen der beiden größten spanischen Fußball-Clubs.

So ist Langeoog nicht Deutschland und auch Mallorca nicht Spanien. Einige Stereotypen lassen sich aber dennoch festmachen und manche typisch spanische Eigenschaft gibt es in Valladolid, Olot oder eben auch in Binissalem. Neben den nationaltypischen Merkmalen gibt es weitere, die die mallorquinische Kultur kennzeichnen.

Viele der Eigenschaften, die dem „Prototyp-Mallorquiner“ zugeschrieben werden, finden sich auch bei der typisch deutschen Kulturzuschreibung: er sei höflicher als der gemeine Spanier, zudem zurückhaltender, ein wenig mißtrauisch, vorsichtiger und ruhiger. Zu den Deutschen gibt es aber auch viele Unterschiede: „Die Mallorquiner“ sind weitaus spontaner als wir Deutschen: langfristige Planungen sind selten. Sie arbeiten lieber an mehreren Dingen gleichzeitig, sind stolz auf ihre Heimat und beharren stark auf ihrer Unabhängigkeit.
Wie schon erwähnt ist eine Generalisierung schwierig. In den letzten Jahrzehnten findet ein gesellschaftlicher Wandel statt. Dadurch, dass viele der jungen Erwachsenen die Insel verlassen, verändern sich Familienstrukturen und -traditionen. Einwanderer bringen ihren Kulturbeutel mit und okkupieren angestammte Plätze. Internet und Reisen erweitern die Welt und verändern das eigene Selbstverständnis.

Was bleibt, ist die Schwierigkeit der Kontaktaufnahme mit „den Mallorquinern“. Diese haben nach wie vor ihre Familienverpflichtungen und in der Regel einen grossen Freundeskreis. Das ist eine Erklärung, warum nicht alle Mallorquiner uns Ausländer mit offenen Armen empfangen. Oder wie es Ciro Krauthausen, Chefredakteur der Mallorca Zeitung, schreibt „… (es) interessiert die Mallorquiner eher wenig, was die Insel-Deutschen als Kollektiv so treiben“.

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2 Gedanken zu “Von Stereotypen und Vorurteilen

  1. Vieles von dem, was du so schreibst, kann ich auch für Belgien bejahen, wo ich seit mehr als 30 Jahre wohne: Es ist sehr schwer, einheimische gute Freunde zu finden, weil alle Belgier viel Zeit mit ihrer Familie und ihren Schulfreunden verbringen. Auch hier wohnen die Studenten eher in ihrer Familie oder bei Angehörigen anstatt in Wohngemeinschaften. Auch hier wird sehr viel Wert auf gutes Essen und Trinken gelegt und es gehört sich überhaupt nicht, auf der Straße oder in Bussen und Bahnen zu essen.

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    1. Heyhey, spannend… ich bin immer sehr interessiert, wie es sich für andere Menschen anfühlt, die lange in anderen Kulturen leben… Danke schön!!! Darf ich Dich evtl bald nochmal anschreiben, da ich im Moment an einem Buch rumdoktere über alle Kulturen der Welt aus der Sicht von Deutschen, die dort leben….? VG

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