Klo-Geschichten

Vor fünf Jahren ist es mir das erste Mal ganz bewusst aufgefallen: Öffentliche Frauen-Toiletten in Spanien sind sauberer als selbige in Deutschland. Über Männer-Toiletten kann ich keine Aussage machen, da ich diese noch nicht inspiziert habe. Wenn ich von öffentlichen Toiletten spreche, dann meine ich solche, die in Deutschland kaum benutzbar oder mittlerweile kostenpflichtig sind: Parkhaus-, Kaufhaus-, Bahnhofs- und Kneipen-Toiletten.

Es wird jetzt ein bisschen unappetitlich: In Deutschland sind mindestens die Ränder vollbepinkelt, häufig noch Schlimmeres. Nach größeren Geschäften wird die Klobürste in der Regel nicht verwendet. Vollgepinkelte Ränder oder Reste von Kot sieht man hingegen hier in Spanien in der Regel nie. Ob es daran liegt, dass sich die Frauen hier auf den Sitz setzen, oder anschliessend abwischen oder einfach besser zielen können, habe ich noch nicht herausgefunden.

Der Bogen zu dem Thema „Interkulturelle Kommunikation“ ist folgender: Meiner Meinung nach liegt der Grund für die hierzulande saubereren Klos darin begründet, dass die spanische Gesellschaft (noch) eine kollektivistische ist, im Gegensatz zu der individualistischen deutschen. In kollektivistischen Gesellschaften liegt einem nicht nur das eigene Wohl und das der eigenen Kleinfamilie am Herzen, sondern auch das des weiteren Umfeldes. Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder die andere Deutsche eine solche Aussage unmöglich findet, denn natürlich liegen uns Deutschen auch andere Menschen am Herzen und es hört sich sehr kalt und egoistisch an, wenn wir so beschrieben werden. So möchten wir nicht dastehen.

Und ja, … natürlich gibt es in allen Gesellschaften Ausnahmen, gibt es auch in Spanien dreckige öffentliche Toiletten und auch in Deutschland Menschen, die sich um das große Ganze sorgen und sich um ihre Mitmenschen kümmern; bis vor etwa hundert Jahren waren wir selber noch eine kollektivistische Kultur. In der Interkulturellen Kommunikations-Theorie gibt es jedoch Aspekte, die individualistische Gesellschaften charakterisieren und die treffen bei uns eindeutig zu. Geert Hofstede beschreibt solche Kulturen u.a. so: „Gesellschaften, in denen Bindungen zwischen Individuen locker sind: man erwartet von jedem, dass er für sich selbst und seine unmittelbare Familie sorgt. In individualistischen Gesellschaften stehen die Ziele und Rechte des Individuums im Vordergrund. Die Worte „Selbst“ und „Eigen“ spielen eine wichtige Rolle. Zentrale Werte: Selbstständigkeit, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung“. Höchst individualistisch sind die USA, Australien, Neuseeland, Benelux und viele nordeuropäische Länder, wie eben auch Deutschland.

In einem anderen Artikel habe ich schon einmal beschrieben, dass viele deutsche Mallorca-Auswanderer Probleme damit haben, dass hier nicht alles klar zur Sprache gebracht wird, man hier in Spanien nicht auch mal auf den Tisch hauen kann oder Kritik nicht deutlich geäußert werden sollte. Auch dies ist eine Ausprägung der kollektivistischen Mentalität: Harmonie steht über Selbstauslebung und Individual“rechten“. In den Augen mancher Deutscher ist das unehrlich oder sogar feige. Beschäftigt man sich aber mit den dahinterliegenden Werten, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Es geht um Respekt anderen gegenüber.

Womit wir wieder zu den Klos kommen. In Deutschland herrscht (böse gesagt), die Meinung vor: „Ist mir doch egal, wer nach mir kommt…“. Hier in Spanien ist die Denkrichtung eher: „Ich kümmere mich um meine Umwelt, dann wird sich meine Umwelt sicherlich auch um mich kümmern … und ich selber finde nächstes Mal auch ein sauberes Klo vor….“.

Das System, für Aufs-Klo-gehen zu zahlen, wie es in Deutschland in Kaufhäusern oder gastronomischen Einrichtungen immer mehr zunimmt, ist hier übrigens noch weitgehend unbekannt (ausser in sehr touristischen oder globalisierten Gegenden, wo man gegen die individualistischen Gepflogenheiten nicht mehr ankommt).

So sehr manche Entwicklung individualisierter Gesellschaften auch zu begrüßen ist, ich mag es, wenn öffentliche Toiletten sauber sind. Und ich hoffe, dass diese noch recht lange umsonst sind, damit ich nicht vor jedem Gang in mein Portemonnaie schauen muss, ob ich auch das passende Kleingeld dabei habe.

(Das Foto ist übrigens aufgenommen an einem Sichtschutz zu einem Haus auf dem Pass zwischen Alfabia und Seller. Hier fahren in der Radfahrsaison hunderte Rennradfahrer hoch und viele davon pinkeln dann dort gegen diesen Sichtschutz. Die Anwohner sind etwas genervt…).

 

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2 Gedanken zu “Klo-Geschichten

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