Ja, mir kommen hier immer noch viele Dinge spanisch vor. Bei manchen Dingen und Situationen habe ich einen guten Umgang mit den unterschiedlichen Sichtweisen gefunden. Zum Beispiel beim Umgang mit dem Thema Pünktlichkeit. Ich habe wirklich versucht, unpünktlicher zu werden, aber es klappt einfach nicht. „Wir“ Deutschen sind nunmal ein Volk, das Pünktlichkeit ehrenwert und gut findet. „Die“ Spanier sehen das gelassener. Ich habe für mich nunmehr den Kompromiss gefunden, dass ich selber nach wie vor bei Verabredungen pünktlich bin (da ich nicht aus meiner deutschen Haut heraus kann), aber ich beschäftige mich während des Wartens mit irgendwas anderem, bis meine Verabredung kommt. Und ich bin nicht mehr sauer, wenn er oder sie zu spät kommt. Warum das Thema Pünktlichkeit hier anders gesehen wird (und wie), habe ich schon einmal in einem anderen Beitrag geschrieben. Kurz zusammengefasst: Die hiesige Sichtweise zum Thema Pünktlichkeit ist wesentlich gelassener. Da jede/r Mallorquiner/Spanier dies so sieht, gibt es keine Probleme. Hier ist man immer darauf gefasst, dass einem irgendetwas Unvorhergesehenes passiert oder einem Jemand über den Weg läuft, den man nicht einfach mit einem halben Satz abspeisen kann. So hat sich durchgesetzt, dass man nunmal immer ein wenig Zeitverzögerung einkalkulieren muss……
Manche Dinge und Situationen finde ich jedoch nach wie vor schlicht schrecklich, zum Beispiel den Umgang mit dem Thema Müllvermeidung/trennung/entsorgung. Wie neulich quasi wissenschaftlich belegt (ich werde die Quelle nachreichen, quasi versprochen!), sind die Deutschen das sortierwilligste Volk der Welt (ausser natürlich den Völkern, wo gar kein sortierfähiger Müll anfällt, wie bei indigenen Ethnien in Westpapua). Was ich generell großartig finde! Ich denke, einen Riesenanteil an diesem bewussten Umgang mit Müll haben „Die Grünen“. Ohne diese politische Bewegung in den 80ern sähe es heute in Deutschland auch sicherlich anders aus. Hier in Spanien ist insgesamt der Umgang mit dem Thema Müll/Plastik bislang noch weit weniger bewusst. Was man zum Beispiel in jedem Supermarkt erleben kann: Fast jede/r Kunde nimmt eine (mittlerweile kostenpflichtige!) Plastiktüte auf Nachfrage. Da ist sicher noch viel zu tun…
ABER: Was mir richtig spanisch vorkommt, ist, dass ich mir Gedanken um jede einzelne blöde Plastiktüte mache, die ich verbrauche und im Hafen von Palma riesige Luxusyachten für eine einzelne Person/Familie aus Qatar/Saudi-Arabien/Deutschland/den USA/… (um in der Reihenfolge der Besitzer der teuersten Luxusyachten im Hafen von Palma zu bleiben) ihre Yachten zur Modernisierung/Verschönerung unter eine Vollplastik-Baustelle stellen, die eigens angefertigt wird und anschliessend garantiert weggeschmissen wird… (ok, den letzten Teil muss ich noch verifizieren, aber das folgt…). Bei Größen von 100 Metern Länge und 4 Stockwerken kann man sich vorstellen, was dort an Plastik anfällt. Dagegen macht sich eine einzelne kleine Plastiktüte wie ein Witz aus. Und wir sprechen hier nicht von Einzelfällen! Das Thema pressiert mich gerade heute wieder extrem, weil ich vom Spaziergang zum Castell de Bellver einen wunderbaren Blick auf genau dieses Phänomen hatte. Im Moment sind es mindestens 7 riesige Luxusyachten, die derzeit unter Plastik liegen…. (Der Vergleich mit dem Sprichwort „Das kommt mir spanisch vor“ hinkt natürlich: Die Verursacher sind hier in aller Regel keine Einheimischen. Aber es wundert mich, dass so etwas erlaubt ist, bzw. keine Proteste dagegen stattfinden).
Letztes Jahr habe ich mit Freunden die Aktion NOP (No Plastic, siehe Foto) ins Leben gerufen. Unsere Idee ist, möglichst viele Yachtbesitzer und -mieter (kleinerer Yachten!) mit Käschern auszustatten, mit denen sie Plastik aus dem Meer fischen können. Wir hatten dazu ein sehr gutes Gespräch mit der Geschäftsführung von Port Adriano, die uns dabei unterstützen will. Die gesammelten Funde wollen wir sammeln und dann in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion enthüllen (denn es werden Tonnen zusammenkommen!!!). Leider ist das Projekt ein wenig liegengeblieben, aber wir werden es noch umsetzen….
Aber zurück zum Ausgang des Artikels und dem Ausdruck …. „Das kommt mir spanisch vor“….: Im Deutschen gibt es den Ausdruck „Das kommt mir spanisch vor“ schon seit langem. Woher er stammt, darüber gibt es verschiedene Hypothesen, die jedoch recht nah beieinander liegen. Jochen Mecke erläutert dies in seinem Buch „Deutsche und Spanier – ein Kulturvergleich“ so: „Im Grimmschen Wörterbuch wird als Anlass die Absicht des Herzogs von Alba genannt, die strenge spanische Kriegszucht in Deutschland einzuführen. Eine zweite Hypothese ist noch interessanter: Demnach hängt die Entstehung der Redensart damit zusammen, dass Karl V. (Carlos I.) das spanische Hofzeremoniell mit seiner Vorliebe für schwarze Kleidung, seinen strengen, genau festgelegten Abläufen und seiner berüchtigten Steifheit nach Deutschland brachte und dadurch Befremden und Verwunderung auslöste.“
Das ist doch frappierend… Wer hat nun wem die Steifheit beigebogen??? Sind wir Deutschen vielleicht nur so „steif“, weil wir die spanische königliche Etikette lernen mussten? Wohl kaum: Karl V. war Habsburger. Nach dem frühen Tod seines Vaters wurde er als Carlos I. der erste König von Spanien (genauer von Kastilien, León und Aragón). Er wurde zwar in Genf geboren und hatte sicher eine sehr multikulturelle Familie, aber man kann einen eindeutig deutschen Bluts- und Kulturanteil nicht verhehlen ….