Vor fast genau einem Jahr war ich in eine Demonstration von Tierschützern gegen das Delfinarium „Marineland“ hineingestolpert. Dies liegt in 400 Meter Entfernung von meinem Zuhause. Es ist eines der beliebtesten Ausflugsziele auf der Insel, die Besucher kommen zumeist aus Deutschland, England und Russland. Die Tierschützer sind hingegen überwiegend Mallorquiner.
Letztes Jahr schrieb ich einen Artikel über die Demonstration, den ich verschiedenen Medien anbot. Keine Zeitung wollte ihn publizieren, was an der großen Lobby des Marinelands liegen mag.
Auch dieses Jahr demonstrierten Aktivisten von ICA Animal wieder vor dem Marineland – mindestens jeden ersten Samstag im Monat. Ich habe einige Male mitdemonstriert, denn nach der Recherche im vergangenen Jahr weiß ich, dass das Marineland tatsächlich eine tierquälerische Einrichtung ist – Delfine, Seehunde und Pinguine können nicht „artgerecht“ gehalten werden. Ich habe vor allem deutsche Besucher angesprochen und … man merkte, dass es einen großen Unterschied macht, ob sie in ihrer Muttersprache oder auf spanisch/englisch angesprochen wurden. Die Abwehrhaltung bröckelt schneller. Am aufgeschlossensten für die Inhalte der Demonstranten waren die britischen Besucher.
Der (leicht modifizierte) Artikel vom vergangenen Jahr lautet wie folgt:
Was soll ein Pinguin auf Mallorca?
Demonstration am 14.09.2014 und 29.08.2015 gegen die Tierhaltung im Marineland
Am 29.8. fand wieder einmal vor dem Marineland in Puerto Portals eine Demonstration von 30 Aktivisten von „ICA Animalista“ statt. Mit Plakaten machten sie die wartenden Besucher auf die „unhaltbaren Zustände“ von den dort lebenden Delfinen, Seelöwen und Pinguinen aufmerksam. „Free dolphins“ lautete einer der Slogans. Die Aktivisten wiesen darauf hin, dass es für Delfine generell keine artgerechte Haltung gäbe. Delfine schwimmen täglich bis zu 100 Kilometer weit, tauchen bis zu 300 Meter tief, haben eine ausgefeilte Fischfangtechnik in der Gruppe und leben in starken Sozialverbänden, wo sie enge Bindungen zueinander aufbauen. Der Zoologe Christian Schulze von der Ruhr-Universität Bochum hat in einer Studie festgestellt, dass die Bahnlänge eines Delfinariums etwa 850 Meter lang sein müsste, damit ein Delfin eine Minute lang geradeaus schwimmen könnte. Im Marineland sind es maximal 200 Meter.
Daher rufen die Aktivisten die Besucher dazu auf, sich Delfine lieber in der Natur anzusehen, etwa bei Bootstouren ab Port de Sóller, Sant Elm oder Cala Ratjada, wo die Chancen – vor allem im Frühjahr – nicht schlecht stehen, Delfine zu sehen. Um darauf hinzuweisen, wie es Delfinen in Gefangenschaft geht, wird der Oscar-prämierte Dokumentarfilm „Die Bucht“ empfohlen. Der Film (Originaltitel: The Cove) aus dem Jahr 2009 stammt von Regisseur Louie Psihoyos und dem Tierschutzaktivisten Richard O’Barry. In den 1960er Jahren war Richard O’Barry Delfintrainer für die Fernsehserie Flipper. Fünf verschiedene Tiere übernahmen die Flipper-Rolle. Ein einschneidendes Erlebnis für ihn war der Tag, als das Delfin-Weibchen Cathy wie er sagt „Selbstmord“ beging und in seinen Armen starb. Er kündigte seinen Job und gründete eine Tierschutzorganisation. In dem Film „Die Bucht“ dokumentieren die Filmemacher, wie im japanischen Küstenort Taiji regelmäßig rund 2.000 Delfine in eine nicht einsehbare Bucht getrieben werden. Die schönsten Tiere werden separiert und anschließend an Delfinarien in aller Welt verkauft. Die restlichen Tiere werden getötet. Der Film machte dieses Geschehen erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Nach Angaben der Filmemacher werden so insgesamt in Japan jedes Jahr rund 23.000 Delfine getötet.
Der September ist einer der Monate für das Eintreiben von Delfinen in die Bucht bei Taiji. Das sechste Jahr in Folge wird die Bucht von einer Gruppe Freiwilliger der Organisation „Sea Shepherd“ bewacht. Die Aktion heißt „Blaue Bucht“, denn die Gruppe will erreichen will, dass diese nicht rot von Blut gefärbt wird. Auf Facebook kann man verfolgen, was vor Ort geschieht. So am vergangenen Sonntag als 12 Delfinjagdboote aus dem Hafen von Taiji ausgeliefen und am Ende des Tages erfolglos zurückkamen. Die Aktion auf Facebook hat bereits über 220.000 Unterstützer.
In Deutschland setzt sich auch die „Gesellschaft zur Rettung der Delfine (GRD)“ für den Schutz wild lebender Delfine und den Erhalt ihrer Lebensräume ein und führt Kampagnen und Aktionen für einen umfassenden Meeresökosystemschutz durch. 1991 gründete der dreifache Weltumsegler Rollo Gebhard nach der Rückkehr von seiner dritten Weltumseglung die GRD. Unter anderem hat die Organisation das internationale Logo „SAFE“ in Deutschland eingeführt, dass dem Verbraucher delfinsicher gefangenen Thunfisch garantiert. Über 95 % des deutschen Thunfischhandels sind mittlerweile dem SAFE-Programm angeschlossen. Aber auch Öffentlichkeitskampagnen werden durch die GRD durchgeführt. So hat der Tourismuskonzern TUI auf Druck der GRD sein Angebot für das Delfinarium Cayo Santa Maria auf Kuba aus dem Ausflugsprogramm genommen. Zudem wurden mittlerweile weltweit Bewerbung und Verkauf von Ausflügen zu Delfinarien fast vollständig gestoppt. Von der Organisation GRD wird Annika Föhse, Referentin Nachhaltigkeitsmanagement der TUI, zitiert: „Auch soll es in unseren Reisekatalogen künftig keine Bilder mit Delfinen und Orcas und keine Katalogtexte mehr geben, die zum Besuch von Delfinarien ermuntern. Wir versuchen, dies bereits für die Winterkataloge 2014/15, (…) , umzusetzen.“
Weltweit gibt es etwa 330 Delfinarien in 60 Ländern. Dort werden rund 1.500 Delfine und Orcas in Gefangenschaft gehalten. In der Europäischen Union gibt es 34 Delfinarien in 14 Ländern – der Markt in der EU ist im Gegensatz zu Japan und China rückläufig.
Hier auf Mallorca geht es den Aktivisten von ICA aber nicht nur um die Delfine im Marineland, sie fragen die vor dem beliebten Ausflugsziel Wartenden, ob sie sich vorstellen können, was ein Pinguin auf Mallorca soll? Die Webseite des Marineland sagt dazu, dass dort lediglich Humboldtpinguine gehalten werden, eine der beiden einzigen Pinguinspezies, die überhaupt ausserhalb des Antarkischen Zirkels leben können. Andere Pinguinarten würden das mediterrane Klima keine wenigen Wochen überstehen.
Die wenigsten Besucher möchten mit den Demonstranten in Kontakt kommen, manche nehmen die angebotenen Infozettel an. Aber es gibt auch große Erfolge für die Tierschützer: eine (deutsche) Urlauberin sagte, dass sie sich mit dem Thema schon befasst hätte und zwar heute noch ihrer Tochter zuliebe hineingehen würde, das aber zum allerletzten Mal. Eine englischprachige Dame diskutierte mit ihrem Mann – er ging anschließend mit den beiden älteren Kindern hinein, sie mit dem jüngeren, etwa 12-jährigen, Sohn stattdessen „an den Strand“.
Auf elektronische wie telefonische Nachfrage von mir beim Marineland bezüglich der Vorwürfe von ICA antwortete eine Mitarbeiterin, dass sich der Direktor melden würde, man aber noch nicht wisse, wann er wieder auf der Insel sei.
…. Seit nunmehr fast einem Jahr scheint er nicht mehr auf Mallorca gewesen zu sein.