Kulturschock

Fast jede*r, der/die in´s Ausland gezogen ist, bekommt ihn früher oder später: den Kulturschock. Natürlich gibt es immer Ausnahmen…. Hier auf Mallorca z.B. all die vielen Menschen, die in einer nahezu komplett deutschen Umgebung wohnen: mit deutschem Radiosender, deutschen Insel-Wochenzeitungen, Handwerkern, Ärzten, Supermärkten oder deutschem Kindergarten und Schule.

In der Regel ist allerdings ein Umzug ins Ausland nicht so einfach: Man muss sich an eine neue Umgebung, an neue Menschen und an eine neue Lebensweise gewöhnen. Das kann alles sehr aufregend sein, aber es kann auch voller kultureller Überraschungen sein, die manchmal zu Heimweh und Einsamkeit führen. Das ist es, was wir als Kulturschock bezeichnen.

Je weniger man von Menschen aus dem eigenen Kulturraum umgeben ist, umso wahrscheinlicher ist ein Kulturschock. Vor zwei Stunden telefonierte ich mit einer Freundin, die heute ihren Stiefsohn zum Flughafen gebracht hat: Er hat einen Arbeitsvertrag als Trainer für einen Fußballclub in einem Ort in Finnland. Wir machten Witze, ob es dort wohl Mallorquiner geben wird…. wahrscheinlich eher nicht…..

Phasen des Kulturschocks
Der Begriff wurde in den sechziger Jahren von Kalvero Oberg geprägt. Er meinte, ein Auslandsaufenthalt läuft meistens in vier Schritten ab: die „Honeymoon-Phase“, dann Krise, Erholung und Anpassung. Später wurden diese Phasen um eine weitere ergänzt: Den Rückkehr-Kulturschock, wenn man sich wieder in sein Heimatland begibt.

Wenn man sich diese Phasen vergegenwärtigt, ist die Hälfte der Arbeit schon geschafft, um aus dem Kulturschock herauszukommen.

In der ersten Phase (der „Honeymoon-Phase“, die noch in der Heimat mit der Vorfreude beginnt) ist man in der Regel euphorisch, Kritik an den Auswander-Plänen möchte man nicht hören und sehen, sondern nur die positiven Aspekte davon… Alles ist wunderbar, aufregend und neu.

In der nächsten Phase (der „Krise“), die häufig nach 2-3 Monaten einsetzt, werden nur die negativen Aspekte der fremden Kultur gesehen, man fühlt sich ausgeschlossen und unverstanden, Gedanken wie „bei uns Zuhause funktioniert das besser“ überwiegen. Freunde und Familie fehlen einem – man ist alleine….

In der dritten Phase (der „Erholung“) entwickelt man idealerweise ein Verständnis für die Handlungsweisen, die von der Heimatkultur abweichen und versucht sie zu verstehen. Diejenigen, die das nicht schaffen, brechen einen Auslandsaufenthalt oder -einsatz dann häufig ab

In der Phase der „Anpassung“ versucht man, sich in die Kultur des Gastlandes zu integrieren, teilweise übernimmt man deren Handlungsmuster und versteht diese mehr und mehr. Man beginnt sich „Zuhause“ zu fühlen.

Ist der Auslandsaufenthalt begrenzt (z.B. bei einem Arbeitseinsatz) und kehrt man nach einer längeren Zeit wieder in sein Heimatland zurück, kann es zu einer neuerlichen Krise / zu einem weiteren Kulturschock kommen. Dieser wird Eigenkultur-Schock genannt. Vieles erscheint einem nun fremd, da man Handlungsweisen aus der anderen Kultur angenommen hat.

Wenn man nur noch nach Hause will
In meinen Seminaren gebe ich Tipps, wie man mit einem Kulturschock gut umgehen kann:

Zunächst kann es helfen, sich klarzumachen: Das ist völlig normal! Man ist nicht der/die Erste, dem/der es so geht. Und wenn man schon auf die nächste Phase schielt, kann man die Phase des Kulturschocks hoffentlich schon besser ertragen.

Häufig ereilt ein Kulturschock vor allem die Menschen, die in (der Heimatkultur vermeintlich) „ähnliche“ Kulturen auswandern, also z.B. in die Nachbarländer. Denn wenn man nach Burkina Faso, Laos oder Panama auswandert, rechnet man ja mit einem Kulturschock. Wie unterschiedlich jedoch beispielsweise Deutsche, Schweizer oder Niederländer sind, erwartet man jedoch nicht zwangsläufig.

Freunde suchen
Das kann (neben der Arbeit) am einfachsten entstehen über alte oder neue Hobbies. In meinem Fall habe ich sowohl in Honduras (wo ich einige Zeit für den Deutschen Entwicklungsdienst tätig war) als auch hier in Spanien jeweils eine Wandergruppe gegründet. Zunächst waren es fast ausschließlich Deutsche, aber nach und nach kamen immer mehr Hondureños bzw. Spanier und auch andere Nationalitäten hinzu…

Sprache
Häufig ist Sprache der Schlüssel zu der Gastkultur. Hier auf Mallorca wäre es ideal, neben Spanisch (Kastilisch) auch die Regionalsprache Katalanisch (Catalá), bzw. den hiesigen Dialekt (Mallorquí) zu sprechen. Ich spreche selber ganz gut Spanisch, leider aber noch wenig Mallorquí. Wenn ich mit meinen mallorquinischen Freundinnen unterwegs bin, versuchen sie für mich immer Spanisch zu sprechen… über kurz oder lang fallen sie aber immer (!) wieder ins Mallorquinische.

Kulturelle Normen, Traditionen und Werte kennenlernen
Heutzutage kann man sich durch viele Medien mit den Kulturen des jeweiligen Gastlandes beschäftigen. https://blog.justlanded.com/ zum Beispiel bietet Einblicke zu diversen Ländern, aber auch generelle Einsichten (an manchen Stellen allerdings etwas zu flach für meinen Geschmack). In Buchform empfehle ich die „Kulturschock“-Reihe aus dem Reise Knowhow- Verlag: https://www.reise-know-how.de/de/shop?populate=kulturschock , dort gibt es Titel von Afghanistan bis Zypern. Wunderbar sind auch die Hefte von https://www.sympathiemagazin.de/produktuebersicht.html, hier sind viele Länder der Welt vertreten, oder in Kulturräumen zusammen gefasst. Aus der Reihe „Gebrauchsanweisung für…“ finde ich nicht alle Länderberichte gut, manche sind mir zu sehr in Stereotypen verhaftet: https://www.piper.de/buecher/reiseberichte/gebrauchsanweisung (dies sind übrigens alles keine Affiliate-Links…., ich verdiene also nichts an diesen Links!). Mein eigener Blog bietet Einblicke in die mallorquinische Mentalität.
Spannend ist es natürlich auch, mit den neuen Freunden über die Unterschiede in den Kulturen zu sprechen.

Drüber reden
Heutzutage ist es einfach, in Kontakt mit Familie und Freunden zu bleiben. In der Phase der Krisen-Phase sollte man sich jedoch darüber im Klaren sein, dass viele Ratschläge von den Liebsten zum Nachhause-kommen erfolgen werden… und daher empfehle ich, statt mit den Liebsten zuhause lieber mit Menschen zu reden, die schon lange in dem jeweiligen Land als Zugezogene/r leben und so gute Tipps zu bekommen, um aus der Phase heraus zu kommen.

Geduld
Es ist völlig in Ordnung, wenn man Monate braucht, um sich einzugewöhnen…. Aber: wenn man es dann geschafft, ist es umso mehr ein Grund, dies ordentlich zu feiern….. (vom Thema Feier-Kulturen in verschiedenen Ländern wird der nächste Blog handeln).

P.S.: Das Foto ist entstanden in Honduras. Ich war dort für eine Umweltorganisation tätig (unser Büro war in der Hauptstadt Tegucigalpa) und war mit dieser auf Projektreise im Patuca-Nationalpark. Innerhalb des Nationalparks (der fast exakt so groß ist wie Mallorca), kann man nur per Boot oder zu Pferd unterwegs sein. Der Projektauftrag unserer 10-köpfigen Mannschaft (neben sieben Hondureños waren wir drei Deutsche): Die Familien, die sich im Park angesiedelt hatten, davon zu überzeugen, dass sie nicht weiter den Urwald abbrennen, um Boden für Landwirtschaft zu gewinnen, sondern eine nachhaltige Landwirtschaft zu etablieren. Wir „schliefen“ in jedem der 10 klitzekleinen Dörfer in irgendeiner Unterkunft, wie z.B. der Dorfschule auf Isomatten, gemeinsam mit diversem Viehzeug, was es durch die Ritzen schaffte. Dort hatte ich nach einigen Tagen einen Kulturschock (obwohl ich bei der Reise schon einige Monate im Land war). Auf dem Foto (in Bermudas) kann man vielleicht erahnen, dass ich mich wie ein Alien fühlte…..

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