Dieses Jahr werden leider viele der Osterbräuche auf der Insel ausfallen, daher ein Blick zurück:
Die „Semana Santa“, die heilige Woche, startet mit dem Palmsonntag, also eine Woche vor Ostersonntag. Laut der Bibel ist an diesem Tag Jesus in Jerusalem eingezogen. In den Kirchen Palmas und in zahlreichen anderen Städten und Dörfern der Insel läuten die Glocken und rufen die Gläubigen zum Gottesdienst. Nach altem Brauch werden die Kirchenbesucher mit Palmen- und Olivenzweigen gesegnet, so wie Jesus von der Bevölkerung Jerusalems begrüßt und gesegnet wurde. Diese Zweige hängen viele der Gottesdienstbesucher später außen an ihre Häuser, wo sie teilweise das ganze Jahr hängen bleiben und Glück bringen sollen.
Im Laufe der Woche finden dann während der „Semana Santa“ in vielen Orten der Insel Prozessionen statt, die den Leidensweg Jesu auf dem Weg zur Kreuzigung symbolisieren sollen.
Die letzten zwei Jahre habe ich die Osterprozessionen in Alaró erlebt. Am Karfreitag findet dort ab 20.30 Uhr die Kreuzabnahme statt und anschließend setzt sich der Menschenzug ab der Pfarrkirche in Bewegung. Die sehr düster anmutende Prozession versammelt verschiedene „Bruderschaften“, diese sind an den Farben der Kutten und an Standarten erkennbar. Einige der Bruderschaften führen Instrumente mit. Die gespielte Musik ist getragen und passt zu der düsteren Stimmung. Die meisten Teilnehmer kleiden sich als Büßer in lange Kutten mit Kapuzen, so dass man die darunter versteckten Personen nicht erkennen kann. Nur für die Augen bleiben zwei Sehschlitze frei. Manche der Büßer gehen sogar barfuß. Begleitet wird der Zug von schwarz gekleideten Frauen mit schwarzen Spitzenschleiern – den traditionellen Mantillas. In Alaró umfasst die Prozession etwa 200 Menschen und dauert eine gute Stunde. Auch am Gründonnerstag gibt es eine Prozession.
In Palma finden an vielen Tagen der Semana Santa -ausgehend jeweils von verschiedenen Kirchen- große und kleinere Prozessionen statt. Bei der größten am Gründonnerstag sind neben den zu Fuß gehenden Büßern auch aufwändig geschmückte Wagen unterwegs, auf denen die einzelnen Szenen des Leidensweg Jesu dargestellt werden (das Foto für diesen Beitrag ist von einer dieser Prozessionen aus dem Jahr 2014). Zum Teil sind diese Heiligenbilder („los pasos“) mehrere Tonnen schwer. Einige dieser Wagen werden nicht gezogen oder gefahren, sondern von mehreren Männern getragen. Von diesen sieht man dann nur die Füsse unter der den Wagen bedeckenden Decke (mehr zu den Prozessionen in Palma: siehe Beitrag vom 19.11.2014).
Besonders spektakulär ist in Palma zudem die szenische Darstellung der Leidensgeschichte Christi vor der Kathedrale. Diese findet am Karfreitag um 12 Uhr statt. Für Kinder ist das Spektakel eher nichts, denn es fließt viel künstliches Blut.
Ebenfalls am Karfreitag, jedoch Abends, finden in Artà und Pollença die Kreuzwegsprozessionen statt. An den jeweiligen Kalvarienbergen wird die Prozession vor den Augen tausender Schaulustiger wirkungsvoll inszeniert. Römische Soldaten beziehen Stellung und säumen den Leidensweg von Jesus. Entlang der Kalvarienberg-Treppen stehen die Mitglieder der Bruderschaften, um mit Fackeln den Weg zu leuchten. Öllampen geben dem Ganzen zusätzlich eine mystische Stimmung.
Bei diesen Festlichkeiten sind, wie ich zu beobachten glaube, die Zuschauer hauptsächlich Einheimische. Ostern spielt immer noch eine große Rolle in der mallorquinischen/spanischen Gesellschaft. Ostereiersammeln wie in Deutschland ist hier allerdings nicht so bekannt. Hier bringt auch nicht der Osterhase die Eier, sondern das Osterkaninchen („conejo de Pascua“). Hier werden auch eher nicht hartgekochte, gefärbte Eier verwendet, sondern Schokoladeneier. Süßigkeiten sind zu Ostern eh sehr beliebt, z.B. die „Mona“, der Osterkranz. In der Mitte ist nach alter Tradition ein hart gekochtes Ei mit Schale eingebacken. Es bringt Glück, dieses Ei an der Stirn eines Freundes aufzuschlagen und anschließend zu verzehren. Teilweise wird heutzutage stattdessen aber nun ein Schokoladenei verwendet. Wer immer auf Mallorca glücklicher Besitzer eines Ferienhäuschens am Meer ist, verbringt die Ostertage dort. In jedem Fall gönnen sich viele Familien aber zum Abschluss der Semana Santa ein ausgedehntes Festmahl. Auf den Tisch kommt dann zum Beispiel Lammbraten. Beliebt sind auch Stockfisch oder gefüllte Teigtaschen.
Vereinzelt gibt es am Ostersonntag noch Prozessionen wie in Campos, doch die meisten Mallorquiner veranstalten an diesem Tag ein Picknick unter freiem Himmel.
In der Woche nach Ostern gehen viele Menschen zusammen wandern zu den traditionellen Wallfahrten. Der Sonntag nach dem Ostersonntag heisst Engelssonntag. An diesem Tag findet in Alaró der traditionelle Aufstieg zur Kapelle in der Burg von Alaró statt, um 12 Uhr ist dort Messe und im Anschluss picknicken die Menschen rund um das Castell. In Palma ist das Schloss Bellver ein beliebter Treffpunkt, zu dem normalerweise Tausende zu einem bunten Programm mit Musik und Tanz kommen. Ansonsten sind beliebt: die Ermita de Sant Blai bei Campos, der Puig de Santa Magdalena bei Inca und das Santuari de Gracia bei Llucmajor. Die Bewohner von Porreres pilgern zum Santuari Monti-sion, de Gläubigen aus Alcúdia machen sich auf den Weg zur Cova de Sant Marti. Die Tradition entstand in der Balearenhauptstadt bereits im 15. Jahrhundert. Damals wurde das Fest Sant Àngel Custodi (Schutzengel), wie es damals hieß, mit Prozessionen begangen. Dabei verteilten die Reichen Brot an die Armen. Daher rührt auch die Bezeichnung Pancaritat (Barmherzigkeitsbrot), wie dieses besondere Fest im Volksmund seither heißt.
Dieses Jahr sind sämtliche Veranstaltungen wegen der Ausgangssperre abgesagt. Aber für nächstes Jahr sollte man sich die Osterferien jetzt schon vormerken. ….