Vier verschiedene Spaniens

Soeben bin ich zurückgekehrt von einer Wandertour, die ich begleitet habe: Von Barcelona durch die Pyrenäen bis nach Bilbao. Dabei sind wir durch vier der insgesamt 17 Regionen Spaniens gezogen, durch Katalonien, Aragonien, Navarra und Baskenland. Ausserdem waren wir im Aran-Tal („Val d´Aran“), welches einen Sonderstatus innerhalb der Autonomen Region Kataloniens innehat. Hier haben drei Sprachen den Status einer Amtssprache: Das einheimische Aranesisch, zudem Katalanisch und Castellano. Unter Franco wurden alle Regionalsprachen Spaniens ausser dem Spanisch (Castellano / Kastilisch) unterdrückt. Erst nach seinem Tod und der Überführung Spaniens in eine Demokratie wurde den Autonomen Regionen ihre Regionalsprache als (zweite) Amtssprache (neben dem Castellano) erlaubt. So wird nun in verschiedenen Regionen neben Spanisch als zweite Amtssprache auch Katalanisch, Baskisch, Galizisch und eben Aranesisch gesprochen. Zusätzlich existieren einige Sprachen, welche nur noch von einer geringen Anzahl von Menschen gesprochen werden und nicht den Status einer Amtssprache haben. Zu diesen zählen Asturleonesisch und Aragonesisch. In der Provinz Cáceres wird A Fala gesprochen und in Melilla spricht die masirische Minderheit Tamazight.

Aber nicht nur sprachlich unterscheiden sich die Autonomen Regionen Spaniens stark voneinander. Katalonien ist der wirtschaftliche Motor Spaniens. Die Mentalität der Katalanen hat wenig mit dem „klassischen Bild“ eines Spaniers zu tun. Mein Bekannter Raimund Allebrand zitiert in seinem Buch „Alles unter der Sonne“ den katalanischen Schriftsteller Juan Goytisol (der im Juni diesen Jahres verstarb): „In Katalonien gibt es ein aktives Bürgertum und alle Spielarten eines begüterten Mittelstandes. Man arbeitet dort, man spart,… interessiert sich … für politische Freiheit und die Ausweitung der Kaufkraft. Im übrigen Spanien herrschen die alten Lebensweisen: Der Bauer bestellt seine Äcker, um leben zu können, nicht um etwas zu verkaufen… In den industrielosen Gebieten macht sich ein allgemeiner aggressiver Widerwille gegen den als Ausbeuter verschrienen katalanischen Geschäftsmann bemerkbar… So bilden sich zweierlei Normvorstellungen: Der Kastilier sieht im Katalanen nur Verschlossenheit, Habgier und Mangel an Würde; der Katalane im Kastilier nur Faulheit und Stolz.“. Aufgrund der historischen, sprachlichen und kulturellen Unterschiede zum übrigen Spanien sieht sich Katalonien als eine eigene Nation. Es existiert eine einflussreiche Unabhängigkeitsbewegung, die auf eine Loslösung von Spanien hinarbeitet. Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont will am 1. Oktober per Volksentscheid darüber abstimmen lassen, ob sich Katalonien vom Rest Spaniens abspalten soll. Die Zentralregierung in Madrid sieht das Referendum als verfassungswidrig an und bezieht sich auf die in der Verfassung von 1978 festgelegte unauflösbare Einheit der spanischen Nation: „Die Verfassung gründet sich auf die unauflösliche Einheit der spanischen Nation, gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier, und anerkennt und gewährleistet das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen, die Bestandteil der Nation sind, und die Solidarität zwischen ihnen.“
http://www.congreso.es/constitucion/ficheros/c78/cons_alem.pdf. Und auch die EU hat bekanntgegeben, dass ein unabhängiges Katalonien nicht automatisch EU-Mitglied sein wird. Die Unterstützung für die Abspaltung ist daher seit dem ersten Versuch eines Referendums 2014 inzwischen deutlich abgeebbt. Laut dem katalanischen Meinungsumfrageinstitut CEO plädierten Ende März „nur noch“ 44,3 Prozent der Katalanen für eine Loslösung von Spanien.

Obwohl man im Val d´Aran im Separatismus allein aufgrund der geographischen Lage jahrhundertelang geübt ist, ist dort die Mehrheit gegen eine Abspaltung Kataloniens von Spanien. Nationalkatalanistische Separatisten würden den Aranesen allerdings keine Sonderstellung einräumen wollen und gehen davon aus, dass bei einer Abspaltung auch die Aranesen mit dran glauben müssten. Das isoliert gelegene Tal wurde erst 1924 mit einer kurvenreichen Strasse mit Spanien verbunden, zuvor war es nur über Frankreich zu erreichen. Obwohl eigentlich ursprünglich eher nach Frankreich ausgerichtet, bekannten sich die Aranesen im 13. Jahrhundert bei einem Referendum statt zu Frankreich zur katalanisch-aragonesischen Krone. Im Gegensatz zu den anderen zur Mittelmeerseite ausgerichteten katalanischen Pyrenäentälern liegt das Aran-Tal auf der atlantischen Seite des Gebirges. Diese Lage macht das Tal einzigartig. Das Klima ist hier rauer, die Flora und Fauna dadurch anders und auch die Kultur ist besonders.

Aragonien ist die nächste Station in den Pyrenäen. Die aragonesische Kultur ist wenig separatistisch und sehr vielfältig, da es viele Einflüsse gab, die aus aller Welt hier einströmten. Am Schnittpunkt wichtiger Verkehrswege vom Mittelmeer zum Atlantik und von Frankreich nach Zentralspanien war die Region stets im Durchzug vieler Stämme und Völker. Aragonien ist die viertgrößte Region Spaniens, aber eine der am dünnsten besiedelte.

Das benachbarte Navarra hingegen stellt sich wiederum anders dar. Bekannt ist der eigenwillige Charakter seiner Bewohner. Insgesamt ist die Region sehr wohlhabend. Navarras rund 620.000 Bewohner beziehen das höchste Durchschnittseinkommen Spaniens. Im nördlichen Teil Navarras ist Baskisch verbreitete Umgangs- und zugelassene Amtssprache. Auch kulturell fühlen sich viele dieser Bewohner mehr der Autonomen Region Baskenland zugehörig.

Im Baskenland selber gibt es bekanntlich ein starkes baskisches Nationalbewusstsein. Ähnlich wie in Katalonien ist der Unabhängigkeitsgedanke im Baskenland sehr alt. In beiden Regionen wurde unter Franco gegen den Separatismus in Form von Massenverhaftungen und Internierungen vorgegangen. Anders als in Katalonien wurde der Widerstand im Baskenland durch Gründung der ETA radikal. 1959 entstand die radikal-nationalistische Gruppe ETA mit dem Ziel der Loslösung und Unabhängigkeit von Spanien. Seit 1961 verübte die ETA Anschläge mit insgesamt über 800 Todesopfern. 1973 wurde der spanische Ministerpräsident Luis Carrero Blanco ermordet. Der vorletzte Anschlag mit Todesfolge fand am 30. Dezember 2006 auf dem Flughafen in Madrid statt, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Und am 7. März 2008 wurde der Kommunalpolitiker der regierenden Sozialisten Isaias Carrasco in seinem baskischen Heimatort von einem ETA-Attentäter erschossen. Im Oktober 2011 wurde von der ETA der Waffenstillstand ausgerufen, der seitdem (anders als bereits bei vorher ausgerufenen Waffenstillständen) hält. In diesem Jahr hat sich die ETA zu der Aushändigung all ihrer Waffen entschlossen und mehrere Waffenverstecke preisgegeben. Obwohl die ETA innerhalb der Bevölkerung stark an Rückhalt verloren hat, sind bis heute viele Basken für eine Abspaltung von Spanien. Im Juni 2008 wurde vom baskischen Parlament ein Referendum über die Unabhängigkeit des Baskenlandes beschlossen, welches anschliessend jedoch vom spanischen Verfassungsgericht verhindert wurde.

Auch in Deutschland sind die verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich: Die Bayern sind anders als die Ostfriesen, Ossis anders als Wessis und in der Regel kann man auch Stadtbevölkerung deutlich von Landeiern unterscheiden. So ist es auch in Spanien. Doch obwohl die spanischen Regionen sehr unterschiedlich sind, gibt es (insbesondere im Vergleich zu der deutschen Kultur) unübersehbare Gemeinsamkeiten. Raimund Allebrand sagt es so: „Dennoch ist das spanische Leben beinahe überall an den gemäßigten Bedingungen der schmalen Küstenzonen orientiert. Winterliche Temperaturen werden weitgehend ignoriert; dass sich die sozial aktive Zeit bis in die Nachtstunden hinein verlängert, steht ebenfalls in diesem klimatischen Zusammenhang. Entsprechend etablierte sich eine Kulturdes öffentlichen Lebensvollzuges“. Im Durchschnitt entfällt auf Spanien jeweils ein Restaurationsbetrieb auf 150 Einwohner – in Deutschland auf 450 Einwohner!

 

Die Reise von MITourA verlief wie folgt: 2 Tage Barcelona – Anreise über Montserrat in die Pyrenäen – jeweils 2 Tage in Espot, Salardú (im Val d´Aran) und Torla mit Wanderungen in den Nationalparks “Aigüestortes i Estany de Sant Maurici” sowie “Ordesa-Monte Perdido” – Stadtführung in Pamplona – 2 Tage in Bilbao.

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