Die Zukunft ist weiblich

Anlässlich zum heutigen Weltfrauentag ein paar Gedanken rund um das Thema Gleichberechtigung weltweit. Es gibt kein Land auf der Welt, in dem Frauen und Männer gleichberechtigt sind (spiegel.de). Und: Die Folgen der Corona-Pandemie treffen Frauen härter als Männer – und zwar überall auf der Welt. „Das Corona-Jahr war in dieser Hinsicht geradezu eine Offenbarung: Es hat klargemacht, dass Frauen die Mehrheit in den schlecht bezahlten Pflegeberufen stellen und dass sie nach wie vor den Großteil der unbezahlten Pflege- und Betreuungsarbeit im privaten Umfeld übernehmen. Frauen sind in Parlamenten, Vorständen, Aufsichtsräten und anderen Gremien unterrepräsentiert und nehmen damit zu wenig Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie sind häufiger von Armut bedroht, …, erleben häufiger Gewalt.“ (spiegel.de). Weltweit sind die Fälle von häuslicher Gewalt in Ländern, die einen Lockdown durchgesetzt haben, in die Höhe geschnellt. Schon Anfang April warnte daher der Uno-Generalsekretär António Guterres auf Twitter: „Ich mahne alle Regierungen, die Sicherheit von Frauen an erste Stelle zu setzen, wenn es darum geht, die Pandemie zu bekämpfen.“ (spiegel.de).

In Deutschland steht seit 1949 im Grundgesetz: „ Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“. Dass Mann und Frau aber wirklich gleichberechtigt in Beruf, Familie und Politik sind, das ist oft nicht die Realität.

Unterschiede im Verdienst
Nach einer Veröffentlichung der Generaldirektion Justiz der Europäischen Kommission von 2014 liegt in den Ländern der Europäischen Union der unbereinigte „Gender-Pay-Gap“ bei 16 %. Deutschland gehört mit Österreich zu den Ländern, in denen der Gender-Pay-Gap am höchsten ist. In allen Berufsklassen verdienen Frauen in Deutschland weniger als Männer, jedoch ist der Unterschied am größten in Berufen, die üblicherweise von Frauen besetzt werden (sogenannte Frauenberufe). So beträgt der unbereinigte Gender-Pay-Gap in Frauenberufen knapp 27 %, aber nur 13 % in Berufen, die üblicherweise von Männern besetzt werden (sogenannte Männerberufe)(wikipedia). Spanien hat mit 17% einen wesentlich niedrigeren Wert als Deutschland (22,4%). Das Land mit dem niedrigsten Wert in der EU ist Slowenien (statista.com).

Frauen in Führungspositionen
Der Frauenanteil in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen lag 2020 bei mickrigen 11,5 %! In der Europäischen Union lag im Jahr 2019 der Anteil von Frauen in Führungspositionen: In Lettland bei 45,8 %, in Spanien bei 33,5% und in Deutschland bei 29,5% (statista.com).

Hausarbeit
Nach einer Studie der OECD von 2014: 164 Minuten verbringen Frauen im Schnitt in Deutschland mit Hausarbeiten. Männer hingegen nur rund 90 Minuten. In Schweden ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Dauer der täglichen Hausarbeit deutlich geringer: Frauen sind rund 95 Minuten tätig, Männer etwa 80 Minuten. In Indien ist Hausarbeit fast ausschließlich Frauensache. Beinah 300 Minuten, sprich sechs Stunden täglich, verbringen sie hier mit entsprechenden Tätigkeiten. Männer kommen in dem Land nur auf täglich 18,5 Minuten, schreibt die OECD. Ebenso in Japan und Südkorea (statista.com).

Hintergrund
Woran dies liegt, kann durch den bereits häufig zitierte Prof. Geert Hofstede erklärt werden. Er hat neben 5 anderen Dimension folgende definiert: „Maskulinität versus Feminität“. Das am stärksten maskuline Land der Welt ist Japan, das am stärksten feminine Schweden. In maskulinen Kulturen geht es um Leistung, Durchsetzungsvermögen, Selbstbewusstsein, Herrschaftswissen und materielle Belohnungen für Erfolg. Geschlechterrollen sind in solchen Kulturen relativ strikt getrennt. In femininen Kulturen hingegen geht es um Mitgefühl, Toleranz, Lebensqualität, geteiltes Wissen und Kooperation. Die Geschlechterrollen in diesen Kulturen sind eher nicht strikt getrennt.Im geschäftlichen Kontext wird Maskulinität versus Femininität manchmal auch als „harte versus zarte“ Kultur bezeichnet.

Extreme Ausprägungen
„Diese Dimension ist insbesondere im Zusammenspiel mit anderen Dimensionen besonders bedeutend, da sie, zumindest zu einem bestimmten Teil Extreme glättet b.z.w. diese Extreme extremiert. So wird zum Beispiel Maskulinität und hohe Unsicherheitsvermeidung als kulturelle Basis für Faschismus gesehen: Sowohl Deutschland, Japan und Italien haben genau diese Kombination.“ (http://www.intercultural-network.de/einfuehrung/maskulin_feminin.shtml).

Gewalt gegen Frauen
Laut des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat in Deutschland bereits jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebt. Besonders bei Streitigkeiten in Partnerschaften werden in erster Linie Frauen zum Opfer häuslicher Gewalt. Geschlechtsspezifische Gewalt kann unterschiedliche Formen annehmen und reicht von physischer, körperlicher oder sexueller Gewalt innerhalb der Partnerschaft bis hin zu sexueller Belästigung im öffentlichen Raum. Obwohl immer mehr Länder Gesetze gegen Gewalt gegen Frauen erlassen, lag die Anzahl der Frauen ohne rechtlichen Schutz vor sexueller Gewalt bei knapp 1,1 Milliarden (statista.com).

Hier noch ein paar weitere Fakten:
Häusliche Gewalt:
40 bis 70 Prozent der ermordeten Frauen in Australien, Russland, Israel, Kanada, Südafrika und den Vereinigten Staaten sind nach Schätzungen der WHO ihren Ehemänner oder Lebensgefährten zum Opfer gefallen. In Kolumbien wird an jedem sechsten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet.
Sexualisierte Gewalt gegen Frauen: In Indien wird alle 21 Minuten eine Frau vergewaltigt. „Die Dunkelziffer dürfte aber weitaus höher liegen, schätzt die Indologin Dorothea Riecker.“
Vergewaltigung als Kriegswaffe: wurde u. a. seit den 1990er Jahren in Bosnien, Ruanda, Kongo, Liberia und Syrien eingesetzt. „Allein in Ruanda wurden während des Völkermords 1994 mehr als 250.000 Frauen vergewaltigt .…“
Auf der Flucht, beispielsweise von Syrien nach Europa, sind Frauen und Mädchen besonders gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden, darunter auch sexueller Gewalt.
Mitgiftmorde, ein Verbrechen, bei dem die Frau durch ihren Ehemann oder durch ihre Schwiegereltern umgebracht wird, weil ihre Familie nach der Heirat die Mitgift für die Familie des (neuen) Mannes nicht aufbringen kann, sind in Südasien, v. a. Indien, verbreitet.
Ehrenmorde: Nach Schätzungen des UN-Weltbevölkerungsberichtes „Ending Violence against Women and Girls“ kommen bei steigender Tendenz jährlich 5000 Frauen weltweit durch sogenannte Ehrenmorde ums Leben.
Zwangsheirat. Nach einem UNICEF-Bericht von 2003 werden weltweit mehr als 51 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren verheiratet. Nach einer vom Familienministerium in Deutschland beauftragten Studie aus dem Jahr 2005 gaben 25 Prozent der 143 befragten Frauen mit türkischem Hintergrund, die mit einem türkischen Mann verheiratet waren, an, dass ihnen ihr Ehemann vor der Hochzeit unbekannt war.
Femizid: Abtreibung von weiblichen Föten, Kindstötungen von Mädchen oder systematische Verwahrlosung von Mädchen. In Mexiko sind Entführung, Vergewaltigung, Mord an Frauen unter dem Begriff „Feminicido“ bekannt.
Menschenhandel und Zwangsprostitution: Zwischen 500.000 und zwei Millionen Menschen, davon 80 % Frauen und Mädchen, werden jedes Jahr Opfer von Menschenhandel, Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution.
Weibliche Genitalverstümmelung: die Hauptverbreitungsgebiete sind das westliche und nordöstliche Afrika (z. B. Ägypten) sowie der Jemen, der Irak, Indonesien und Malaysia.
Säureattentate auf Frauen sind besonders in Staaten Südasiens, v. a. Bangladesch, Pakistan, Indien, weit verbreitet sowie auch aus dem Iran berichtet, werden selten angezeigt und bleiben meist straflos.
Steinigung: kollektive Hinrichtungsart, zu der speziell Frauen wegen Ehebruchs oder Geschlechtsverkehr vor der Ehe verurteilt werden (Alle Infos bis hierher von: wikipedia.com). In den neunziger Jahren war ich als Aktionsreferentin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker tätig. Durch unsere und die Arbeit von anderen Organisationen konnte Amina Lawal in Nigeria vor der Steinigung gerettet werden; Sie hatte nach der Scheidung von ihrem Mann ein Kind bekommen …

Zum diesjährigen „Internationalen Frauentag 2021“ schreibt der Spiegel: „Die Welt abbilden, wie sie ist: Wie häufig zitieren wir im SPIEGEL Frauen, wie oft Männer, beschreiben sie, berichten über sie? Zum Internationalen Frauentag haben wir nachgezählt. Das Ergebnis ist ernüchternd – da muss sich was ändern.“ Und weiter: „ Das Ergebnis ist ernüchternd. In den rund 40.000 Artikeln werden 107.000 Mal Männer und nur 28.000 Mal Frauen namentlich genannt. In 73 Prozent aller Veröffentlichungen werden Männer erwähnt, in lediglich 37 Prozent Frauen. In 42 Prozent der Texte kommen ausschließlich Männer als Protagonisten oder Experten vor, nur in sechs Prozent aller Artikel sind es Frauen“. Aber: dort sind immerhin „Inzwischen sind 40 Prozent der Leitungsfunktionen in der SPIEGEL-Redaktion mit Frauen besetzt.“.

Gute Vorbilder
Der Spiegel nimmt sich vor: „…die gelernten Denkmuster zu verändern. Und das geht, die BBC hat es vorgemacht. Vor vier Jahren startete die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Briten das Projekt »50:50«. Dessen Ziel: In allen Sendungen und in allen Beiträgen so viele Frauen zu Wort kommen zu lassen, wie es der Realität entspricht: 50 Prozent. Die BBC hat das geschafft.“.

Ich wünsche mir, dass wir lauter und mit viel mehr Menschen für eine wirkliche Gleichberechtigung kämpfen. Meine ersten Schritte heute dafür ist: Wie immer am 8. März zur Demonstration gehen, jedoch dieses Mal auch nur als solidarische Zuschauerin für die 40 erlaubten Teilnehmer und: ich werde einen Online-Meetingpoint aufbauen für „Sisterhood“, damit wir uns mit anderen, Gleichgesinnten vernetzen und sichtbarer werden.

Das Zukunftsinstitut sagt: In vielen Regionen der Erde sind Frauen bereits besser gebildet und erfolgreicher. Und: Frauen auf der ganzen Welt sind davon überzeugt, dass sie bessere Chancen als ihre Mütter haben. Petra Jenner, Geschäftsleiterin von Microsoft in der Schweiz, sagt in ihrem Buch „Mit Verstand und Herz“: „Unsere Wirtschaft wird langfristig ausbrennen und scheitern, wenn sie weiter vorwiegend von Männern geführt wird!“ Sie fordert eine konstruktive Gruppenintelligenz im Unternehmen, indem eine Balance geschaffen wird zwischen weiblichem und männlichem Führungsstil. Die Nielsen-Studie „Women of Tomorrow“ belegt aktuell das erstarkte Selbstbewusstsein der Frauen in der westlichen Welt, aber auch in den Emerging Markets. Knapp 80 Prozent aller Frauen in entwickelten Märkten sind der Meinung, dass sich die Rolle von Frauen verändern wird, wobei 90 Prozent davon an eine positive Entwicklung glauben. … Ich auch!

Die Zukunft is weiblich!

Zum Weiterlesen:
https://www.spiegel.de/kultur/corona-und-gleichberechtigung-frauen-sind-systemrelevant-aber-das-system-ist-kaputt-a-93c7ee35-04dc-469a-9e42-37655c43c8fe

Soraya Chemaly „Rage becomes her. The power of women’s anger“

https://sz-magazin.sueddeutsche.de/freie-radikale-die-ideenkolumne/wut-feminismus-88440

https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/die-zukunft-ist-weiblich-megatrend-female-shift/

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3 Gedanken zu “Die Zukunft ist weiblich

      1. Habe den bei Twitter und LinkedIn geteilt. Hoffe einige mehr lesen ihn. Glaube, dass mich persönlich diese Ungleichheit davon abhält zu transitionieren. Wäre lieber eine Frau, aber will nicht die Privilegien als Mann aufgeben. Es war erstaunlich wie leicht es war eine Firma zu gründen und bis zur Pandemie zu halten.

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