Die Karikatur stammt von Tom Körner und dient hier zur Illustration von „Interkultur“.
Letztes Wochenende fand an der Uni Düsseldorf die letzte Veranstaltung meines Blockseminars „Interkulturelle Kommunikation“ statt. Es waren insgesamt 26 Studenten anwesend, die unter anderem Wurzeln in Angola, Afghanistan, Kamerun, Marokko, Frankreich und Singapur hatten. Viele interessante Dinge wurden erzählt, z.B. dass Afghanistan ein Land mit einer sehr bunten Völkergemeinschaft ist: 50-60% Paschtunen, 25% Tadschiken, 10-15% Hazara, 10% Usbeken und vielen anderen z.B. den Nooristani. Oder dass Angolas Hauptstadt Luanda die teuerste Stadt der Welt ist (vor Hongkong, Tokio und Zürich). Oder dass in Singapur neben Tamil, Malaiisch, Chinesisch und Englisch von einem Großteil der Bevölkerung Singhlish gesprochen wird. Oder dass in Frankreich mehr Frauen mit Kindern unter 2 Jahren berufstätig sind als im Rest Europas und die Geburtenrate mit 2,02 die höchste hier ist.
Insgesamt möchte ich heute einen kurzen Abriss bieten, was meiner Meinung nach Interkulturelle Kommunikation ist (und was ich dazu in den Vorlesungen vortrage): Es geht für mich um nichts Geringeres als „Die Welt verstehen“ wollen. „Verstehen“ hat dabei verschiedene Dimensionen.
Kommunikation generell:
Ich steige in die Vorlesungen mit einem groben Überblick über Kommunikationstheorien ein. Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Das meint, selbst wenn man nicht redet oder gestikuliert, wird das Gegenüber voraussichtlich die Mimik interpretieren. Befinden wir uns in unserem eigenen Kulturkreis, wird die Interpretation wohl noch relativ einheitlich ausfallen. Lächeln wird als Freundlichkeit interpretiert, Stirnrunzeln deuten wir als Unzufrieden- oder Ratlosigkeit, Kopfschütteln als Ablehnung. In anderen Kulturkreisen werden dieser Mimik andere Deutungen zugeordnet! In Indien wird mit Kopfschütteln eher Zustimmung ausgedrückt, zum Teil auch Ratlosigkeit. In Afghanistan oder Marokko wird das Anlächeln höhergestellter Personen als Respektlosigkeit angesehen. Eine gute Übung, sich darüber im Klaren zu werden, ob man mit seinen Interpretationen richtig liegt, ist, sich zu zweit gegenüber zu setzen und nacheinander zu formulieren, was man aus der Mimik des Anderen interpretiert. Dabei können erstaunliche Erkenntnisse entstehen. Neben der Mimik, die in verschiedenen Kulturen der Welt unterschiedlich ist, haben auch Gesten unterschiedliche Bedeutungen. Nicht überall bedeutet „Daumen hoch“ etwas positives, sondern in einigen arabischen Ländern eine obszöne Geste.
Kommunikation ist zwischen Menschen eines Kulturkreises oft genug schon schwierig. Friedemann Schulz von Thun stellt fest, dass der Empfänger einer Nachricht diese ganz anders verstehen kann, als der Sender sie gemeint hat: „Vier Seiten einer Nachricht“ nannte er sein Modell. Man stelle sich z.B. ein Ehepaar im Auto vor; sie fährt. Er sagt zu ihr: „Da vorne, die Ampel wird gleich rot“. Je nachdem, wie seine Frau die Nachricht versteht, kann er mit ganz verschiedenen Antworten rechnen, z.B.: „Fährst Du oder fahre ich?“ oder „Vielen Dank für den Hinweis“ oder „Ich fahre ja schon langsamer“ oder „Immer weisst Du alles besser“. Je nachdem, ob sie sich auf der beziehungsebene angesprochen fühlt, den Hinweis als Appell versteht, als Selbstaussage über ihren Mann oder ganz (einfach) sachlich. Bestimmt läuft gerade ind er Kommunikation zwischen Mann und Frau deswegen viel schief, weil man sich auf verschiedenen Ebenen bewegt.
Kultur generell:
Warum Kulturen unterschiedlich sind, hat viele Gründe und hängt u.a. mit dem Klima und der Religion zusammen. Dazu hat insbesondere der Niederländer Geert Hofstede viel geforscht. Es gibt zum Beispiel eine Korrelation zwischen gemäßigten Klimazonen und dem Grad der Individualisierung von Kulturen. Stark individualisierte Kulturen (wie die deutsche oder nordamerikanische) haben als Maxime, dass man als Individuum alles erreichen kannst, wenn man sich nur genügend anstrengt („Vom Tellerwäscher zum Millionär“). In kollektivistischen Kulturen (wie fast allen afrikanischen, asiatischen, lateinamerikanischen und südeuropäischen) dagegen ist eine solche Sichtweise nicht angesagt. Hier wird man in starke Familienbünde hineingeboren, die einem Schutz und Loyalität bieten. Dafür hat man sich aber auch in die gemeinschaftlichen Strukturen einzubinden. Bislang sind weltweit die kollektivistischen Kulturen noch weit in der Überzahl, die Tendenz geht jedoch in Richtung Individualisierung.
Über die Sach- versus Beziehungsorientierung schrieb ich schon in einem anderen Beitrag. Spanier sind beispielsweise Beziehungsorientiert, wir Deutsche Sachorientiert. Das bedeutet, dass bei neuen Projekten, Spanier den neuen Mitarbeiter erst einmal kennenlernen und Vertrauen aufbauen möchten, bevor man gut zusammenarbeiten kann. Deutsche wollen erst einmal gut mit jemandem zusammenarbeiten; nach einer gewissen Zeit kann man dann eventuell auch mal ein Bier zusammen trinken gehen.
Eine weitere sehr spannende Unterscheidung ist die zwischen Partikularismus und Universalismus. In universalistischen Kulturen (wie der deutschen) gehen Regeln über Privatinteressen. Wenn meine Schwester beispielsweise einen Unfall verursacht, finde ich es selbstverständlich, dass sie dafür geradestehen und haften muss. In partikularistischen Kulturen (wie beispielsweise der russischen) würde man so eine Sichtweise nicht verstehen. „Wenn man nicht einmal für seine Schwester lügt, was ist man denn dann für ein herzloser Mensch???“
Interkulturelle Missverständnisse:
LaRay M. Barna hat sechs Stolpersteine in der Interkulturellen Kommunikation identifiziert. Bei dem ersten geht es darum, dass man sich trotz vermeintlicher gleicher Sprache, wie z.B. Englisch, missverstehen kann. Dazu gibt es ein wunderbares, kurzes Video auf Youtube unter „German coast guard“. Ein weiterer Stolperstein sind Fehlinterpretationen. Vermeintlich hat man das Verhalten seines Gegenüber verstanden, weil es einem bekannt vorkommt. Reaktionen, Mimik und Eigenart des jeweils Fremden werden mit den eigenen Maßstäben gemessen. Ähnlichkeiten und bekanntes Verhalten wird (vermeintlich) entdeckt.
Ein weiterer Stolperstein ist die Tendenz zu bewerten. Dazu auf Youtube „Where do you come from?“. Hier spricht ein junger Mann eine junge Frau mit asiatischen Gesichtszügen an und fragt sie, woher sie kommt. Die beiden befinden sich offensichtlich in den USA und sie nennt eine amerikanische Stadt. Er meint: „Nein, … ursprünglich…“. Sie nennt (schon leicht genervt) den Namen einer anderen amerikanischen Stadt. Er: „Nein, … vorher…“. Sie: „Wie, vorher? Bevor ich geboren wurde???“. Der Spot geht noch ein wenig weiter. Sehr lustig.
Wenn man sich gegen solche Missverständnisse wappnen möchte, hilft das Wissen 1.) um den eigenen kulturellen Background, 2.) die Erkenntnis, dass andere Kulturen völlig verschieden sein können, 3.) die Bewusstheit, dass keine Kultur der anderen überlegen, sondern nur anders ist und 4.) eine große Portion Empathie und Toleranz.