Am 19. Oktober hatte ich einen Auftritt beim Spenden-Marathon in Offenbach. Meine Keynote handelte davon, was wir von anderen Kulturen lernen können, um glücklicher zu sein. Zum Beispiel durch: mehr Lachen/Lächeln. Mir fällt im Vergleich Spanien – Deutschland häufig auf, dass in Spanien mehr gelächelt wird. … Lachen/Lächeln macht erwiesenermaßen glücklich (… und kann Schmerzen lindern, den Cortisolspiegel senken und ist gut für das Immunsystem). Eckhard von Hirschhausen sagt in seinem Buch „Glück kommt selten allein“: „Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, sind aber im Grunde nie über das Mittelmaß hinausgekommen.“
Lächeln macht glücklich
Das erste Mal hörte ich durch die wunderbare (leider viel zu früh verstorbene) Kommunikationtrainerin Vera F. Birkenbihl davon, dass Lächeln/Lachen glücklich macht. Wenn man 60 Sekunden am Stück lächelt oder lacht, sorgt die Muskelkontraktion für eine Reaktion im Gehirn, die Glückshormone erzeugt… Im Kindesalter sind sich die verschiedenen Kulturen bei dem Thema übrigens noch relativ ähnlich. Kinder im Alter von ungefähr vier Jahren lachen überall auf der Welt täglich circa 400 mal. Deutsche Erwachsene bringen es nur noch auf 15 mal täglich … Andere Kulturen lachen mehr als wir, hier ein extremes Beispiel: Der amerikanische Sprachforscher Daniel Everett hat jahrelang mit den Piraha gelebt, einer Ethnie im brasilianischen Amazonasgebiet. Er sagt: „Sie sind glücklicher wegen ihrer inneren Kraft und der kulturellen Werte, die westliche Kulturen nicht mehr besitzen. …. Ich stellte fest, dass sie bereits glücklicher waren als alle Christen, die ich kannte. …. Ihre Fröhlichkeit ist nicht oberflächlicher Natur.“ (Quelle: „Das glücklichste Volk“ unter https://oe1.orf.at/artikel/216403/Das-gluecklichste-Volk).
Glück in den verschiedenen Kulturen
Glück hat in den verschiedenen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen und wird häufig auch unterschiedlich definiert. Im Englischen gibt es beispielsweise mehrere Worte für Glück: Luck, fortune, pleasure, happiness. Ebenso im Spanischen: Felicidad, suerte, fortuna, coincidencia. Die Unterscheidungen sind: Glück haben (zum Beispiel im Lotto), Glück gehabt haben (dass zum Beispiel ein Unglück nicht passiert ist), glücklich sein,… Schaut man sprachlich weiter, gibt es Sprichworte in den unterschiedlichen Kulturen zum Thema Glück. Im Spanischen z.B.: „Lo que decidas hacer, asegurate que te haga feliz.“ – Was auch immer Du tust, stelle sicher, dass es Dich glücklich macht. Im Deutschen sagen wir z.B.: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Dies weist auf die Eigenverantwortlichkeit hin, was stark zu tun hat mit dem ausgeprägten Individualismus (der in einem anderen Artikel in diesem Blog beschrieben wurde). In anderen Kulturen (wie zum Beispiel im Hinduismus oder in muslimischen Kulturen) wird Glück hingegen als etwas angesehen, was einem von einer übergeordneten Macht zuteil wird.
Was es braucht, um glücklich zu sein … auch das kann von Kultur zu Kultur verschieden sein. In westlichen Kulturen wird Glück oft mit einem gewissen Lebensstandard, Einkommen und Reichtum in Verbindung gebracht…. Ein/e durchschnittliche/r US-Amerikaner:in wird wahrscheinlich vor allem Freiheit als großen Glücksfaktor beschreiben… In vielen kollektivistischen Ländern hingegen ist die Familie das wichtigste Element zum Glück… Im Buddhismus lautet die Grundhaltung: „Freude stärken, Leiden mindern…“.
Glücks-Studien
Die weltweit längste Langzeitstudie ist die „Harvard Study of Adult Development“. Darin untersuchten Forscher:innen über 85 Jahre hinweg insgesamt 724 Männer und deren Nachkommen. der wichtigste Faktor sind demnach: „Gute Beziehungen…“ sie „… machen uns glücklicher und gesünder.“. Dafür reichen wenige, dafür aber starke Bindungen und Freundschaften.
Die Vereinten Nationen geben jährlich den „World Happiness Report“ heraus. In diesem Bericht werden weltweit Menschen nach ihrem empfundenen Glückszustand befragt. Einige Indikatoren zielen insbesondere auf die in der westlichen Welt empfundenen Glückselemente ab (wie z.B. materieller Wohlstand, Meinungsfreiheit, soziale Infrastruktur, Bildungschancen,…). Daher stehen dann auch logischerweise regelmäßig Länder wie Dänemark, Island und Finnland auf den ersten drei Plätzen (Deutschland übrigens aktuell auf Platz 16).
Bhutan verwendet seit 1998 als hauptsächlichen Entwicklungsindikator das sogenannte „Bruttonationalglück“ anstelle des sonst üblichen Bruttoinlandsproduktes. Die untersuchten Bereiche sind: Psychisches Wohlbefinden / Gesundheit / Zeitnutzung / Bildung / Kulturelle Vielfalt und Resilienz / Gute Regierungsführung / Lebendigkeit der Gemeinschaft / Ökologische Vielfalt und Resilienz / Lebensstandard.
Manfred Spitzer sagt: „Glück hängt also durchaus mit Wissen zusammen, dem Wissen, was man tun kann, um glücklich zu sein. Man findet Antworten auf die Frage nach dem Glück also genau dort, wo man sie zunächst am wenigsten vermuten würde: in der Wissenschaft.“.
Was können wir übernehmen?
Meiner Meinung nach gibt es neben dem Lächeln einige Dinge mehr, die wir von anderen Kulturen lernen können, um glücklicher zu sein, z.B:
Achtsamkeit ist eine in diversen asiatischen Kulturen praktizierte „Übung“. Sie hilft uns, bei Grübeleien, Zukunftssorgen, negativen Gefühlen oder anderen Störungen unsere Aufmerksamkeit umzulenken und fördert auf diese Weise Entspannung und Stressabbau. Mit Achtsamkeit können wir den Blick auf die kleinen Glücksmomente des Alltags lenken. Und so unser Glück fördern…
Solidarität: Ich verbinde diesen Begriff mit (bei einer meiner Lieblingssänger:innen Sarah Lesch geklautem Titel): „Weniger Ich – mehr Wir“. Solidarität macht glücklich. Auch dafür gibt es Studien. Dazu schreibe ich in Kürze einen eigenen Blogbeitrag … Die Zeit schreibt in einem Artikel: „Wie kommt das Gute in die Welt?“, dass die großzügigsten Menschen der Erde laut einer Studie Walfänger in Indonesien seien.
Berührung: Einer der Neurotransmitter, der für Glück in unserem Gehirn verantwortlich ist, ist Oxytocin. Ein Bindungshormon. Es wird ausgeschüttet z.B. bei der Geburt eines Kindes, beim Stillen, und vielen Momenten, wenn Menschen Eltern sind. Aber auch ohne eigene Kinder kann man sich seine Glücksdosis verschaffen. Zum Beispiel durch Streicheln von Tieren, beim Waldbaden oder im Zusammensein mit kleinen Kindern. Kürzlich fragte mich eine Freundin, ob ich glaube, dass Kinder in Spanien mit mehr Liebe aufwachsen als in Deutschland und ich antwortete mit: „Ja“. Die Freundin war erzürnt. Ich meine dies allerdings eher quantitativ. In Spanien (und in anderen Teilen der Welt noch viel mehr) sind Familien noch größer und näher beisammenlebend. Daher bekommt ein Kind einfach quantitativ hier mehr Liebe (von Großeltern, Tanten, Onkeln und so weiter). Hier gilt also auch: „Weniger Ich – mehr Wir“ macht glücklicher.
Zusammensein mit Freund:innen: Wie oben schon beschrieben, macht das Zusammensein mit Freund:innen glücklich. Also: wann immer möglich lieber zum Telefonhörer greifen, anstatt in den sozialen Medien unterwegs sein. Hier in Spanien ist das wesentlich üblicher, dass man mit Kolleg:innen nach der Arbeit noch ein Bier trinken geht. Mehr soziale Kontakte bringen potentiell mehr Glück….
Stressresistenz: Dr. Robert Waldinger, der mittlerweile vierte Leiter der oben genannten Harvard-Studie, sagt, dass ein weiterer Indikator für das persönliche Glück die Stressresistenz sei. Menschen, die sich von alltäglichen Problemen nicht unnötig stressen lassen, seien glücklicher und ausgeglichener. Es gibt interessante kulturelle Unterschiede, wie verschiedene Gesellschaften Stress bewältigen. Die Ansätze und Strategien, die Menschen verwenden, hängen stark von ihren kulturellen Werten, Normen und sozialen Strukturen ab. Während einige Kulturen auf individuelle Bewältigung setzen (wie zum Beispiel wir Deutschen), legen andere den Fokus auf soziale und/oder spirituelle Unterstützung. Durch die oben beschriebenen Fakten, dass Zusammensein mit Freund:innen und/oder Familie glücklich macht, sind also diese sozialen Stressverarbeitungs-Strategien potentiell positiver…
Glückliche Einzelwesen schaffen eine glückliche Gesellschaft
Glücklich sein ist nicht nur individuell sondern auch gesamtgesellschaftlich förderlich. Aus dem Buch „Glück kommt selten allein“ von Eckart von Hirschhausen: „… wer öfter glücklich ist, wird seltener krank und lebt länger… Glücklich sein schützt konkret vor Herzinfarkten, Infekten und Diabetes – und natürlich auch vor Depression …“. Glückliche Menschen belasten daher zum Beispiel das Sozialsystem weniger…
Meine Keynote
Ich möchte dazu beitragen, dass Menschen glücklicher werden. Mir ist vor einiger Zeit klar geworden, dass ich schon lange eine Glücksforscherin bin. Ich horte Bücher und Artikel über das Thema Glück; einige sind über 30 Jahre alt… in den letzten Jahren hat mich als Trainerin für Interkulturelle Kommunikation daher auch besonders interessiert, was Menschen in anderen Teilen der Welt tun (bewusst oder unbewusst), um glücklicher zu sein. Davon können wir uns doch etwas abgucken, oder?
Hier könnt Ihr die Aufzeichnung vom Spenden-Marathon sehen…. Ab 06:31:45 (d.h. bei Stunde 6, 35 Minuten, 45 Sekunden…)… findet Ihr meinen Beitrag: https://speakerstars.de/livestream … danach kommt noch eine andere Rede und anschließend eine Podiumsdiskussion, wo wir einzeln noch mal befragt wurden… Mir hat es viel Spaß gemacht, dieses tolle Format unterstützt haben zu dürfen… und ich hoffe, dass ich ein kleines bisschen zu mehr Glück beitragen kann (wohlwissend, dass manche individuelle Situation sehr schwierig ist und die gesamtgesellschaftliche Lage sowieso. Aber gerade dann, glaube ich, ist es wichtig, in sich selbst immer wieder ein kleines Glück zu finden).