Seit vielen Jahren bin ich schon auf der Suche nach einer Lebensgemeinschaft, wo ich meine privaten und beruflichen Wünsche unter einen Hut bringen kann. Da ich dies auf Mallorca leider nicht gefunden habe, bin ich im Februar 2023 nach Katalonien gezogen. Hier ist das Konzept von Wohn-Genossenschaften, wie wir es auch aus Deutschland kennen, viel weiter verbreitet. In loser Reihenfolge werde ich die Gemeinschaften, die ich besuche, hier vorstellen.
Can Masdeu
Camí Sant Llàtzer, 12, Nou Barris, 08035 Barcelona
Die Zufahrt zu dem Anwesen liegt nicht weit von der Abfahrt 3 der Ronda de Dalt / B-20 entfernt. Der Camí beginnt als Abzweig an der Straße “Ctra. Alta de les Roquetes”, es besteht dort die Möglichkeit am Straßenrand zu parken. Für Autos versperrt eine Kette den Weg; hier beginnt der 10-minütige Fußweg bergauf zum Vall de Can Masdeu. Es liegt im Naturpark “Parc Natural de Collserola”, einer tollen Hügellandschaft mit vielen Wanderwegen, von denen man oft beeindruckende Blicke auf Barcelona hat. Hinter dem Sozial-, Ökologie- und Wohnprojekt Can Masdeu liegt das ehemalige Krankenhaus Sant Pau, welches abgesperrt ist und von zwei aggressiven Hunden bewacht wird. Es wird wohl nur noch als Hausmeister”wohnung” und Lager genutzt.
Can Masdeu ist ein altes Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert, das an dem gleichnamigen Bach liegt. Insgesamt umfasst das Gelände 400.000 Quadratmeter Waldfläche.
Can Masdeu ist ein seit 2001 ein besetzter Raum. Damals beschloss ein Dutzend Aktivist:innen das Lazarett von Sant Pau, das zum gleichnamigen Krankenhaus gehörte, aber seit mehr als fünfzig Jahren leer stand, zu übernehmen. Damit sollten Pläne verhindert werden, das Gebäude in Luxuswohnungen umzuwandeln. Im April 2002 versuchten mehr als hundert Polizeibeamte, die Besetzer:innen zu räumen, die drei Tage lang gewaltlosen Widerstand leisteten und sich unter anderem an Teile des Gebäudes anketteten. Der Eigentümer der Einrichtung, das Krankenhaus Sant Pau, beschloss schliesslich, auf weitere Räumungsinitiativen zu verzichten. Dennoch ist die Möglichkeit einer Räumung nicht vollständig gebannt… Heute leben etwa zehn ständige Mitglieder plus Gäste dort. Sowohl die Dauerbewohner:innen als auch die Gäste zahlen einen Beitrag von 100 Euro pro Monat. Der Rest der Betriebskosten der Einrichtung wird durch die Organisation von Partys, Crowdfunding oder Bio-Catering gedeckt.
Von Anfang an haben sich die Bewohner:innen des Gebäudes und des umliegenden Geländes nicht nur dem Aufbau einer Öko-Gemeinschaft verschrieben, sondern auch dem Aufbau eines Sozialzentrums und von Gemeinschaftsgärten, die die Beziehungen zur Nachbarschaft und zum Rest der Stadt fördern sollen. Das Sozialzentrum “Punto de Interacción de Collserola” organisiert wöchentlich Workshops in den Bereichen Musik, Kunsthandwerk, Heimwerken, Theater und Tanz und veranstaltet Versammlungen anderer sozialer und ökologischer Bewegungen wie Extinction Rebellion oder Ecologistes en Acciò sowie Konzerte, Shows, Film- und Dokumentarfilmvorführungen. Rund hundert Jugendliche, Rentner:innen und Familien kümmern sich um die Gemeinschaftsgärten, die in 35 Parzellen aufgeteilt sind und Obst und Gemüse nach agrarökologischen Methoden anbauen.
Das ganze Projekt hat fünf Säulen: die Öko-Gemeinschaft, das Gemeinschaftszentrum, die Gemeinschaftsgärten, die Mitmachgärten Regenerades und das Casa dels Futurs (Haus der Zukunft). Fast jeden Sonntag öffnet Can Masdeu seine Türen für alle. An den Tagen der offenen Tür finden Workshops, Vorträge, Vorführungen, Konzerte und Performances statt, die alle kostenlos sind und von einer Vielzahl von Workshop-Leiter:innen, Aktivist:innen und Künstler:innen angeboten werden. Und man kann Bio-Lebensmittel und selbst hergestellte Produkte von Kunsthandwerker:innen einkaufen.
Man kann Can Masdeu durch Mithilfe unterstützen, man kann aber auch Räumlichkeiten für eigene Workshops oder Konzerte mieten.
Ich fand die Aktionen, die dort veranstaltet werden, alle sehr beeindruckend. Mir gefällt die ganzheitliche Sichtweise sehr. Viel Wert wird zum Beispiel auf eine feministische Haltung gelegt, indem zum Beispiel “Care-Arbeit” als wichtige, gleichwertige Arbeit angesehen wird, die auf alle verteilt wird. Dort zu wohnen kann ich mir allerdings nicht vorstellen… 😊
Ich habe eine neue Webseite aufgemacht, auf der ich in unregelmäßigen Abständen über die von mir besuchten Gemeinschaften in Spanien berichte…. einige Beiträge gibt es schon: https://www.colivinginspain.com/blog